VZS: Lebenshaltungskosten laufen mit Automatenspiel, Lotterien und Rubbellos leicht aus dem Ruder
Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) sieht eine übermäßige Belastung der Familienhaushalte durch verlockende, oft auch irreführende Glücksspiele. Gegen die Irreführung hat die Verbraucherzentrale Südtirol bereits 2010 Eingaben bei der Antitrustbehörde und bei den römischen Parlamentsfraktionen gemacht. Leider ist nichts passiert! Viel Schlimmer! 5 Jahre lang hat die Agentur für Zoll und Monopole keine offiziellen Glücksspieldaten mehr publiziert. Und jetzt die Ernüchterung. Die Glücksspieleinsätze sind in der Region von 1,205 Milliarden Euro jährlich auf 1,217 Milliarden gestiegen. Dabei sind die in den Wind geschriebenen Einsätze für ausländische Online-Gewinnspiele oder ähnliches wie „binäre Optionen“, illegale Online-Gewinnspiele und das in Südtirol beliebte Mitspielen bei deutschen und österreichischen Klassenlotterien usw. noch nicht mitgezählt.
Nachdem Experten davon ausgehen, dass die Glücksspieleinsätze in der Region jeweils zu 50% auf die beiden Provinzen aufgeteilt werden können (bei der Agentur für Zoll und Monopole ist die verfassungsmäßige Aufteilung der Region Trentino Südtirol in 2 autonome Provinzen noch nicht angekommen), ergibt sich für Südtirol die unglaubliche Summe von einer Pro-Kopf-Ausgabe von 1.145 Euro pro Jahr (also von den Babys bis zu den Greisen).
Die Agentur für Zoll und Monopole rechnet nunmehr die ausgezahlten Gewinne gegen die Glücksspieleinsätze auf und kommt hier bei uns auf durchschnittliche Ausgaben von 310 Euro pro Kopf und Jahr. Jedoch: Dieses gegenseitige Aufrechnen ist, wie viele Glücksspiele, auch irreführend. Die Spieler und Gewinner sind nicht die selben Personen. Und tendentiell gewinnen wenige Viel (siehe Rubbellose) und es spielen viele.
Glücksspieleinsätze von 1.145 Euro pro Jahr und Kopf sind in Bereich der Konsumausgaben der Familien leider unzureichend abgebildet. Diese fallen in den Bereich Freizeit (Gesamtausgaben pro Jahr 3.204 Euro) und sind mit 2.725 Euro jährlich pro Familie sicherlich nicht im richtigen Ausmaß dort angegeben, da der Bereich aus zahlreichen weiteren Posten besteht. Bezeichnend ist jedoch, dass die Ausgaben für Glücksspiele jedenfalls höher sind als jene z. B. für die Gesundheit, für Kommunikation und für Bekleidung.
Konsumausgaben der Südtiroler Familien im Jahr 2016 (laut ISTAT)
Bereich |
Ausgaben |
% |
Lebensmittel |
6.766 |
15,9 |
Nicht-Lebensmittel |
35.847 |
84,1 |
Wohnung/Haus, Wasser, Strom, Gas |
14.074 |
33,0 |
Transport |
4.251 |
10,0 |
Beherbergung, Restaurant |
3.531 |
8,3 |
Freizeit und Kultur |
3.204 |
7,5 |
Sonstiges |
3.071 |
7,2 |
Glücksspiele (Freizeit und Kultur) |
2.725 |
6,4 |
Gesundheit |
2.376 |
5,6 |
Möbel |
1.802 |
4,2 |
Bekleidung, Schuhe |
1.782 |
4,2 |
Kommunikation |
962 |
2,3 |
Alkohlische Getränke, Tabak |
638 |
1,5 |
Gesamt |
42.613 |
100 |
* in der offiziellen Statistik des ISTAT fallen die Ausgaben für Glücksspiele in den Bereich Freizeit, sind dort jedoch nicht entsprechend berücksichtigt ...
Der Vorsitzende der VZS, Agostino Accarino, unterstreicht, dass „in Italien durchgeführte Studien belegen, dass Senioren besonders gefährdet und somit eine bevorzugte Zielgruppe für das Glücksspiel darstellen. Eine gemeinsame Studie von Gruppo Abele, Auser und Libera bestätigt, dass ein Drittel der Spielsuchtgefährdung über 65-Jährige betrifft“.
Der Geschäftsführer der VZS, Walther Andreaus ist überzeugt, dass „Glücksspiele leicht die Lebenshaltungskosten aus dem Ruder laufen lassen können. So wird dann für die Spielleidenschaft eines/r Einzelnen oft die finanzielle Grundlage der gesamten Familienmitglieder in Mitleidenschaft gezogen. Glücksspiel wird damit zunehmend zum sozialen Problem, nicht allein ein Abhängigkeitsproblem im Bereich der Gesundheit. Auch die Auswirkungen auf die Kaufkraft und damit auf die Wirtschaft sind nicht zu unterschätzen.“
Da hilft sicherlich keine Selbstbeschränkung im Rahmen von Projekten wie „Gioco sicuro“ sondern nur entschlossene Maßnahmen gegen das Überhandnehmen des Spieletriebs zu gewinnmaximierenden Zwecken. Zur allgemeinen Spielsucht leisten auch die großen (öffentlichen) Fernsehanstalten mit ihren Spieleshows ihren Beitrag.
Der Steckbrief der SpielerInnen:
In Italien spielen 47% der Notleidenden
56% der Personen mit einem mittel/niedrigen Einkommen
70% der Arbeitnehmer auf unbestimmte Zeit
80,2% der Gelegenheitsarbeiter
86% der Arbeitnehmer in Lohnausgleich
61% der Akademiker
70,4% der Maturanten
80,3% der Mittelschulabgänger
47,1% sind zwischen 15 und 19 Jahre alt
58,1% der Jungen
36,8% der Mädchen
Laut Espresso-La Repubblica.it vom 07/02/2017