Seit 19. April 2019 ist das neue Gesetz (Nr. 31/2019) zur Sammelklage in Kraft. Die Sammelklage, in Italien besser unter der amerikanischen Bezeichnung Class Action bekannt, wird mit dem neuen Gesetz aus dem Verbraucherkodex in die Zivilprozessordnung verlegt. Das Besondere ist, dass bei einer class action Rechts- und Tatfragen, die für eine Vielzahl von Geschädigten von Bedeutung sein können, insgesamt und für alle einheitlich geklärt werden können. Voraussetzung ist, dass es sich um homogene Rechte handelt. Der Einzelne ist also nicht mehr auf den (vollständigen) Nachweis einer Verletzung in eigenen subjektiven Rechten angewiesen, sondern muss nur nachweisen, dass er zu der betroffenen Gruppe (class) gehört. Die derzeitige Regelung hat für die VerbraucherInnen nicht gut funktioniert. Dazu der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), Walther Andreaus: „Die neue Regelung ist ein Schritt vorwärts, jedoch wird es leider Jahre dauern bis die ersten Verfahren angestrengt werden können. Die Class Action gilt nur für Verstöße, die nach Inkrafttreten des Gesetzes stattfinden. Hier werden einige Missetaten der letzten Jahre geschützt. In Deutschland hingegen können mit der neuen Musterfeststellungsklage auch bereits erfolgte Rechtsverletzungen eingeklagt werden, siehe die VW-Musterfeststellungsklage unserer Kollegen vom VZBV und ADAC.“
Weitere wesentliche Neuerungen sind: Nicht nur VerbraucherInnen können eine Sammelklage anstrengen, sondern alle Betroffenen von Rechtsverletzungen und man kann sich auch noch nach einem Urteil der Sammelklage anschließen. Somit haben alle Bürger, die Schadersatzansprüche aufgrund von schädigendem Verhalten von Seiten von Unternehmen geltend machen können, Klagebefugnis. VerbraucherInnen werden im neuen Gesetz nicht mehr erwähnt, man spricht von homogenen, individuellen Rechten und diese können von Organisationen und Non-Profit-Vereinen vertreten werden, die beim Justizministerium in ein eigenes Verzeichnis eingetragen werden. So könnte in Zukunft beispielsweise beim VW-Dieselskandal nicht nur die Verletzung des Konsumenten- und Wettbewerbsrechts (wegen eines nicht konformen Produkts) sondern auch Gesundheits- oder Umweltschäden eingeklagt werden.
An wen richtet sich die Class action?
Die Klagen können sich an Unternehmen und Auftragnehmer, die öffentliche Dienstleistungen durchführen, richten, jedoch nicht an öffentliche Verwaltungen. Dies ist ein Makel, der über die bestehende Verwaltungs-Class-Action, ein derzeit brachliegendes Instrument, behoben werden könnte.
Der Ablauf
Die neue Class action wird in drei Phasen ablaufen: die Zulässigkeit, die Entscheidung in der Sache und die Auszahlung des Schadenersatzes an die Teilnehmer. Das Gericht entscheidet innerhalb von 30 Tagen über die Zulässigkeit, der entsprechende Beschluss ist innerhalb von 15 Tagen zu veröffentlichen und kann innerhalb von 30 Tagen beim Appellationsgericht angefochten werden. Dieses hat für die Entscheidung 30 Tage Zeit.
Für die Betroffenen findet das opt-in-Prinzip Anwendung, also sie können sich innerhalb bestimmter Fristen der Class action anschließen, sowohl nach der Zulassung als auch noch nach dem Urteil. Der Richter kann die Unternehmen verpflichten Beweise vorzulegen oder auch aufgrund von Statistiken oder Annahmen entscheiden. Mit dem Urteil in der Sache geht der wirkliche der Beitritt der Betroffenen über die Bühne. Es wird ein beauftragter Richter und ein Vertreter der Betroffenen ernannt. Der Vertreter arbeitet ein Projekt der individuelle Rechte aus und schlägt die Summen vor, die den Betroffenen zustehen. Der beauftragte Richter entscheidet darüber. Das Unternehmen kann jetzt zahlen oder der Vertreter leitet die Zwangseintreibung ein. Vergleichsvereinbarungen sind jederzeit möglich. Sollte es zur Verurteilung des Unternehmen kommen kommt dieses auch für die Kosten des Vertreters der Betroffenen und des Rechtsbeistandes auf. Der Ablauf wird über ein eigenes Internetportal des Justizministeriums der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf diesem Portal erfolgt auch die Anmeldung der Betroffenen. Die Vertretung durch einen Anwalt ist nicht notwendig.