Süßer Genuss, bittere Ernte: die beiden Seiten der Schokolade

   
     
Geschmacklich gut, aber häufig mit Schadstoffen belastet und intransparent in der Lieferkette: so lautet das Fazit aktueller Schokoladen-Tests. Die Verbraucherzentrale Südtirol informiert über die Ergebnisse sowie über Nachhaltigkeitssiegel. Die Milka Alpenmilch fiel in der Untersuchung von Öko-Test übrigens durch.


Schokolade macht angeblich glücklich. Dies könnte theoretisch sowohl an der Aminosäure Tryptophan als auch am Alkaloid Theobromin liegen – beide Substanzen kommen in Schokolade vor. Tryptophan wird im menschlichen Körper zum „Glückshormon“ Serotonin umgewandelt, Theobromin wirkt stimmungsaufhellend. Um von ihrer chemischen Wirkung zu profitieren, müsste man jedoch kiloweise Schokolade essen, denn die enthaltenen Mengen sind sehr gering. Das Glücksgefühl beim Genuss von Schokolade scheint also weniger von den Inhaltsstoffen abzuhängen als vielmehr von den positiven Erinnerungen, die die meisten Menschen mit dem Konsum von Schokolade verbinden. Ähnlich verhält es sich mit der angeblich süchtig machenden Wirkung von Schokolade. Zwar enthält Schokolade teilweise ähnliche Substanzen wie Haschisch, doch deutlich zu wenig davon, um eine echte körperliche Abhängigkeit hervorzurufen. Naschsucht und unstillbares Verlangen nach Schokolade sind also psychischer Natur.

Von dunkel bis rosa
Schokolade wird aus Kakaomasse, Zucker und Kakaobutter hergestellt, dazu kommen je nach Sorte weitere Zutaten wie Milchpulver, Nüsse und Gewürze (z.B. Vanille), eventuell auch Aromen und Zusatzstoffe wie Emulgatoren. Am beliebtesten ist die hellbraune Milchschokolade, außerdem gibt es dunkle Bitterschokolade, weiße Schokolade und neuerdings auch Ruby-Schokolade. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der verwendeten Zutaten. Während Bitterschokolade viel Kakaomasse enthält, kommt Milchschokolade mit deutlich weniger und weiße Schokolade zur Gänze ohne Kakaomasse aus. Umgekehrt weist weiße Schokolade den höchsten Gehalt an Kakaobutter auf, Bitterschokolade dagegen nur einen sehr geringen. Milchpulver findet sich als Zutat in Milch- und in weißer Schokolade. Ruby-Schokolade ist rosarot und wird durch Selektion besonders gefärbter Kakaofrüchte gewonnen. Deren Bohnen werden – im Unterschied zur traditionellen Kakaoherstellung – weder fermentiert noch geröstet, so bleibt die rötliche Farbe erhalten.

Ein Viertel der Bitterschokoladen enthält Schadstoffe
Dunkle Schokolade alias Bitter-, Zartbitter- oder Edelbitterschokolade muss einen Kakaoanteil von mindestens 50 bis 60% aufweisen, spezielle Produkte haben sogar einen Anteil von 90% und mehr. Je höher der Kakaoanteil ist, desto weniger süß schmeckt die Schokolade und desto ausgeprägter ist der bittere Geschmack. Die Stiftung Warentest hat kürzlich 24 verschiedene dunkle Schokoladen mit einem Kakaogehalt zwischen 60% und 75% untersucht, darunter sechs Bio-Schokoladen. Fünf der getesteten Schokoladen wurden geschmacklich als sehr gut bewertet, 13 als gut, fünf Produkte erreichten ein Befriedigend, ein Produkt nur ein Ausreichend. In immerhin sechs Schokoladen, also einem Viertel der getesteten Produkte, wurden erhöhte Schadstoffgehalte festgestellt: in fünf Fällen Mineralölrückstände, in einem Fall ein erhöhter Gehalt an Kadmium, einem Schwermetall. Zwar geht von den Produkten laut Stiftung Warentest keine akute Gefahr für die Gesundheit aus, doch gelten aromatische Mineralölverbindungen (MOAH) als potenziell krebserregend und gesättigte Mineralölverbindungen (MOSH) als möglicherweise organschädigend, Kadmium schädigt die Nieren. Nur jede dritte Schokolade im Test weist ein Nachhaltigkeitszeichen für fair erzeugten Kakao wie Fairtrade, Gepa Fair+, Naturland oder UTZ Certified auf.

Fast alle Milchschokoladen sind mit Mineralöl belastet
Aus dem Jahr 2019 stammt die letzte Untersuchung von Milchschokoladen des Verbraucherschutzmagazins Öko-Test. 25 verschiedene Milchschokoladen wurden im Labor sowie geschmacklich und auf ihre Produktionsbedingungen hin überprüft. Geschmacklich schnitten alle Schokoladen mehr oder weniger gut ab. Die Gesamtbewertung ist dennoch nicht berauschend: nur zwei Produkte erhielten ein Gut (Rapunzel Dunkle Vollmilch sowie Ritter Sport Alpenmilch). Beliebte Tafeln wie Milka Alpenmilch und Lindt Vollmilch sowie weitere fünf Produkte fielen mit einem Mangelhaft oder gar Ungenügend durch den Test, die restlichen Produkte schnitten mittelmäßig ab. Von 25 getesteten Schokoladen waren 24 mit Mineralölbestandteilen (MOSH) verunreinigt. Diese können vor allem durch die Verpackung, den Transport oder bei der Herstellung in die Schokolade gelangen. Hauptkritikpunkt von Öko-Test ist jedoch die mangelnde Transparenz in Bezug auf die Lieferkette: nur drei der 25 Hersteller waren imstande oder bereit, ihre Lieferkette bis zu den Kakaobauern offenzulegen. Bei den anderen Produzenten kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kakao aus Kinderarbeit stammt oder unter ausbeuterischen Bedingungen angebaut wurde.

Die dunkle Seite der Schokolade
Über 70% der weltweiten Kakaoernte kommen aus Westafrika, hauptsächlich von der Elfenbeinküste und aus Ghana. In den Anbauländern werden Kakaobauern und -bäuerinnen sowie Kinder in mehrfacher Hinsicht ausgebeutet. Das Pro-Kopf-Einkommen der meisten Kakaobauern liegt deutlich unter der absoluten Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar pro Tag, der Weltmarktpreis für Rohkakao ist zudem überaus anfällig für Schwankungen. Kinder werden entführt und in die Anbaugebiete verschleppt, wo sie unter sklavenähnlichen und gefährlichen Bedingungen arbeiten müssen. In der Elfenbeinküste und in Ghana nahm in den letzten zwölf Jahren die ausbeuterische Kinderarbeit nachweislich zu. Und das, obwohl die Nachfrage nach fair gehandelter und zertifizierter Schokolade weltweit zunimmt.

Ein Lichtblick: Fairtrade und andere Standards
Die Verwendung von fair erzeugtem und zertifiziertem Kakao lässt sich an verschiedenen Siegeln erkennen, die für bestimmte soziale und teilweise auch ökologische Standards stehen. „Die Kriterien von Fairtrade International beispielsweise verbieten ausbeuterische Kinderarbeit, garantieren geregelte Arbeitsbedingungen und gewerkschaftliche Rechte sowie die Auszahlung des Fairtrade-Mindestpreises und der Fairtrade-Prämie. Genossenschaftliche Organisation, umweltverträglicher Anbau und die Umstellung auf biologische Landwirtschaft werden gefördert“, erklärt Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol.
Ein von der Stiftung Warentest 2016 durchgeführter Vergleich ergab, dass der Standard von Naturland am wirksamsten dazu beiträgt, die Situation der Kakaobauern und -bäuerinnen zu verbessern, gefolgt vom Fairtrade-Standard (daran orientiert sich auch das Siegel Gepa Fair+) und dem Programm „Rapunzel Hand in Hand“. Am wenigsten wirksam sind die Standards von UTZ und Rainforest Alliance, deren Kriterien als am wenigsten anspruchsvoll bewertet wurden. Detail am Rande: anders als bei Kaffee, ist es laut den Kakao-Standards von Fairtrade und UTZ den Herstellern erlaubt, bei der Verarbeitung herkömmliche sowie fair produzierte Kakaobohnen zu vermischen. Erkennbar ist dies am Hinweis „mit Mengenausgleich“. Schokoladen mit einem Nachhaltigkeitssiegel enthalten folglich nicht immer tatsächlich zertifizierten Kakao, fair gehandelter Kakao wiederum kann in einer herkömmlichen Schokolade landen. Entscheidend ist aber, dass die Bauern und Bäuerinnen für den verkauften zertifizierten Kakao immer den Fairtrade-Preis erhalten.
Fair gehandelte Schokolade ist in den Südtiroler Weltläden, in Bio-Fachgeschäften und zunehmend auch in Supermärkten erhältlich.

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