Von allen Vitaminen ist Vitamin B12 jenes, von dem der Mensch im Vergleich die geringste Menge benötigt, und jenes mit dem kompliziertesten Stoffwechsel. Benötigt wird es für die Zellteilung, die Blutbildung, den Aufbau von Nervengewebe, die Weiterleitung von Nervensignalen und zum Schutz der Blutgefäße.
Cobalamine, so die chemische Bezeichnung für die verschiedenen Vitamin-B12-Verbindungen, können weder von Pflanzen noch von Tieren und auch nicht vom Menschen selbst gebildet werden, sondern einzig von Bakterien. Dennoch ist Vitamin B12 in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch, Milch und Eiern enthalten: weil im Pansenmagen von Wiederkäuern Vitamin-B12-bildende Bakterien leben und weil auch Tiere, die nicht wiederkäuen, sowie Fische Vitamin B12 über die Nahrungskette – unter anderem über Würmer, Plankton und Kleinfische – aufnehmen. In der modernen Intensivtierhaltung in Ställen erhalten die Tiere das Vitamin über angereicherte Futtermittel oder Fischmehl. Pflanzliche Lebensmittel enthalten dagegen kein oder kaum Vitamin B12. In Pilzen, Algen und fermentierten Lebensmitteln wie rohem Sauerkraut finden sich zwar Spuren von Vitamin B12, jedoch sind diese Mengen bei Weitem nicht bedarfsdeckend. Einzig Noriblätter aus Rotalgen können möglicherweise zur Aufnahme von Vitamin B12 beitragen.
Ernährungsgesellschaften schätzen eine tägliche Zufuhr von 4 Mikrogramm (4 μg) Vitamin B12 als angemessen ein. Überschüssig aufgenommenes Vitamin B12 wird vor allem in der Leber gespeichert. Auf bis zu 5 Milligramm (5 mg = 5.000 μg) kann der Körperspeicher anwachsen – eine Menge, die den Bedarf ein paar Jahre lang decken könnte. „Bei gesunden Menschen kommt ein Mangel selten vor, denn eine Mischkost mit mäßigen Mengen an Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten liefert ausreichende Mengen an Vitamin B12“, weiß Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol. „Bei Menschen, die sich über längere Zeit vegan ernähren, ist ein Vitamin-B12-Mangel dagegen vorprogrammiert und die Einnahme von Vitamin B12 als Nahrungsergänzung unverzichtbar. Auch Menschen, die sich vegetarisch ernähren, könnten über die Jahre einen Mangel entwickeln.“
Die Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung wird erst durch ein komplexes Zusammenspiel von Verdauungssäften, Transport- und Schutzproteinen ermöglicht. Erkrankungen wie chronische Gastritis, chronische Darmentzündungen, die operative Entfernung von Teilen des Magens oder des Darms sowie die Einnahme bestimmter Medikamente beeinträchtigen die Aufnahme des Vitamins. Eine Rolle spielt dabei auch das Alter: zwischen 20% und 50% der Über-80-Jährigen könnten von einem Vitamin-B12-Mangel betroffen sein. Ein solcher kann schwerwiegende Folgen haben: Blutarmut, Antriebslosigkeit, Sensibilitätsstörungen, Gedächtnisschwäche, Demenz, depressive Verstimmungen. Schwere neurologische Erscheinungen sind nicht mehr rückgängig zu machen, daher gilt es, einen Mangel rechtzeitig und von vornherein zu vermeiden. Neueren Untersuchungen zufolge kann dazu auch die regelmäßige Verwendung von Zahnpaste mit Vitamin-B12-Zusatz beitragen – denn ein Teil des Vitamins wird über die Mundschleimhaut aufgenommen.