VZS vertritt Rechte der VerbraucherInnen in der Causa über die Kartellabsprache zur Zinsuntergrenze der Raiffeisenkassen vor dem Verwaltungsgericht Latium
Für Firmen und VerbraucherInnen gestaltet sich der Weg zum Schadenersatz bei nachgewiesenen Kartellabsprachen einfacher. Das sieht ein neues Gesetz vor (GvD 3/2017). Die Neuerung könnte sich auch auf das Verfahren auswirken, welches am 8. März 2017 vor dem Verwaltungsgericht Latium verhandelt wurde. Einige Raiffeisenkassen sowie die Raiffeisenverbände von Bozen und Trient hatten gegen die von der Antitrust-Behörde verhängte millionenschwere Strafe aufgrund der Kartellabsprache über die Zinssätze und die Zinsuntergrenze Rekurs eingereicht. Bei der Verhandlung war auch RA Cerniglia für die VZS anwesend, um die Rechte der BankkundInnen und DarlehensnehmerInnen wahrzunehmen. In der Verhandlung strich RA Cerniglia hervor, dass aufgrund der abgestraften Absprache die Zinssätze der variablen Darlehen (nicht nur jene für Familien, sondern auch jene für kleine und mittlere Unternehmen), welche vormals unter den günstigsten Italiens waren, beträchtlich gestiegen waren, aufgrund der weit gestreuten Klausel zur Zinsuntergrenze. Diese „Zinsuntergrenze“ ist der Wert, unterhalb dessen der Zinssatz nie sinken kann, auch wenn die Basisparameter (Euribor) radikal abfallen, so wie von 2009 bis heute geschehen. Heute ist der Euribor gar negativ: -0,23 Prozentpunkte.
Auch die Staatsadvokatur, welche im Verfahren die Antitrust-Behörde vertritt, teilt diese Auffassungen, und erwähnt sie als Bestätigung für den großen Schaden, den die DarlehensnehmerInnen erlitten haben, auch weil es sich um ein „starkes“ Unrecht handelt, mit allen negativen Auswirkungen für den Wettbewerb, den Markt, die VerbraucherInnen und die Unternehmen in Südtirol.
Das Gericht hat sich eine Entscheidung vorbehalten; mit einem Urteil ist wahrscheinlich innerhalb von 60 Tagen zu rechnen.
Die Klauseln zur Zinsuntergrenze finden sich in vielen Verträgen, vor allem jenen, die nach 2009 abgeschlossen wurden, aber auch in älteren Verträgen. Die Klausel wurde aber nicht nur von den Raiffeisenkassen angewandt, sondern auch von anderen lokalen Banken (wie z.B. Sparkasse oder Volksbank) angewandt. Ein eventueller Anspruch auf Schadenersatz durch die Klausel zur Zinsuntergrenze verjährt innerhalb von 5 Jahren ab jenem Moment, ab welchem die wettbewerbsverzerrende Handlung erkennbar war. Die VZS rät daher allen betroffenen DarlehensnehmerInnen, diese Frist zu unterbrechen (Musterschreiben gegen Terminabsprache unter Tel. 0471-975597 erhältlich).
Welche Neuigkeiten bringt das neue Gesetz?
Eine kurze Liste der Neuerungen:
- nicht nur VerbraucherInnen, sondern alle physischen und juridischen Personen (also auch Betriebe) können „Geschädigte“ sein;
- sowohl direkt als auch indirekt Betroffene, die durch die Kartellabsprache einen Schaden erlitten haben, können für diesen auf Ersatz klagen;
- der Schadenersatz kann für jeglichen Schaden gemäß der „Normen zur Konkurrenz“ eingeklagt werden;
- der Schaden umfasst den Schaden, den entgangenen Gewinn sowie die Zinsen (danno emergente, lucro cessante ed interessi)
- der Schaden kann auch nach Billigkeit bemessen werden;
- das Gericht kann den Übertretern die Offenlegung der Beweise (welche der Geschädigte oftmals nur schwer beibringen kann) auferlegen, sowie die Unterlagen aus den Akten der Antitrust-Behörde einbinden.
Wert der Entscheidungen der Antitrust-Behörde
Im Sinne von Art. 7 des GvD 3/2017 gilt die Verletzung des Wettbewerbsrechts gegenüber dem Verursacher als definitiv nachgewiesen, wenn die Antitrust-Behörde diese mit einer Entscheidung festgestellt hat, und die Fristen für den Einspruch gegen die Entscheidung abgelaufen sind. Die Entscheidungen von Antitrust-Behörden anderer Mitgliedsstaaten haben die gleiche Wertigkeit.
Beweislast
Die Untersuchung der Antitrust-Behörde ist bindend in Bezug auf die Natur der Zuwiderhandlung, auf ihre materielle, personenbezogene, zeitliche und örtliche Tragweite; der Kausalzusammenhang und das Bestehen des Schadens müssen aber bewiesen werden. Im Falle eines Kartells gilt jedoch, abweichend vom allgemeinen Prinzip der Beweislast, eine Vermutung eines vom Urheber der Kartellabsprache verursachten Schadens: in diesem Fall muss jemand, der sich als Geschädigter der Kartellabsprache behaupten kann, lediglich das Ausmaß des erlittenen Schadens beweisen.