Vorsicht vor Zuckerfallen mit Gesundheitsversprechen!

Lebensmittel werden mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert und als „gesund“ beworben, obwohl sie eigentlich Zucker- und Fettbomben sind. Werden die Verbraucher und Verbraucherinnen getäuscht?

Der Europäische Verbraucherverband BEUC hat kürzlich über 300 Fotos von Lebensmitteln aus 11 europäischen Ländern veröffentlicht: allen Produkten gemeinsam ist, dass sie mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben oder mit zugesetzten Vitaminen werben, obwohl sie viel Zucker, viel Fett oder viel Salz enthalten.

 

Was versprochen wird ... und was sich bei genauerem Hinsehen herausstellt

Kinderlebensmittel, also Lebensmittel speziell für Kinder, sind generell noch süßer und fetthaltiger als herkömmliche Produkte – zugleich werben sie aufgrund der zugesetzten Vitamine und Mineralstoffe mit einem besonderen gesundheitlichen Nutzen für die Kinder. Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen die Produkte, die mit einer „Extraportion Kalzium“ oder anderen Vitaminen und Mineralstoffen einen guten Start in den Tag versprechen, im Glauben, ihren Kindern etwas Gutes zu tun. Bestimmte Milchprodukte beispielsweise werden mit Vitamin D und Vitamin B6 angereichert. Dieser Trick erlaubt es den Herstellern, ihre Produkte mit einem Zusatznutzen für das Immunsystem zu bewerben – denn die Angabe „trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ ist gemäß EU-Verordnung für beide Vitamine erlaubt. Milchprodukte speziell für Kinder werben damit, dank des angereicherten Kalziums einen Beitrag „für die Entwicklung der Knochen“ zu leisten. Nur sehr aufmerksame Verbraucher und Verbraucherinnen entdecken anhand der Nährwerttabelle, dass 100 Gramm eines solchen Produkts rund 14 Gramm Zucker enthalten.

Insbesondere Frühstückszerealien geben sich oft und gerne einen gesünderen Anstrich. „Miele Cheerios“ von Nestlé (für den italienischen Markt) werden mit neun Vitaminen und Mineralstoffen angereichert, was auf der Verpackung gut sichtbar hervorgehoben wird. Angaben zum Zuckergehalt finden sich nur kleingedruckt in der Nährwerttabelle: im Fall der „Cheerios“ sind es stolze 24,4 Gramm Zucker pro 100 Gramm. Noch mehr, ganze 29 Gramm, sind es bei den „Coco Pops“ von Kellogg's (für den italienischen Markt) – der Hersteller wirbt auf der Verpackung trotzdem mit einem hohen Gehalt an (zugesetzten) B-Vitaminen und Eisen.

 

Die Gesetzeslücke

Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher entdecken, dass es sich bei einem vermeintlich gesunden Produkt tatsächlich um eine Zuckerbombe handelt, fühlen sie sich getäuscht. Aktuell gibt es für dieses Problem keine gesetzliche Handhabe. Die Health-Claims-Verordnung der EU regelt seit 2006 die gesundheitsbezogenen Angaben auf Lebensmitteln: diese dürfen nur gemacht werden, wenn die gesundheitliche Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen ist. Die Verordnung sieht darüber hinaus für Produkte, die eine Gesundheitsangabe tragen, die Einführung von Obergrenzen für den Gehalt an Zucker, Fett und Salz vor. Bis heute hat die EU-Kommission jedoch noch keine solchen Obergrenzen festgelegt, obwohl es sie bereits seit 2009 geben sollte. „Wir fordern daher, dass Lebensmittel, deren Zucker-, Salz- oder Fettgehalt bestimmte Werte überschreitet, nicht mehr mit Gesundheitsversprechen beworben werden dürfen“, stellt Silke Raffeiner, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol, klar. Eine gute Orientierung dafür bieten die Nährwertprofile der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Beschränkung von Werbung für ungesunde Kinderprodukte aus dem Jahr 2015. Frühstückszerealien, die mehr als 15 Gramm Zucker pro 100 Gramm, und Milchprodukte, die mehr als 10 Gramm Zucker pro 100 Gramm enthalten, dürften demnach nicht mehr beworben werden.

 

Wie groß ist eine Portion?

Neben der Nährwerttabelle, welche den Gehalt an Nährstoffen in 100 Gramm oder 100 Milliliter auflistet, können Hersteller freiwillig auch Angaben zu den Nährstoffgehalten pro Portion machen. Verbraucherschutzorganisationen bemängeln, dass vor allem bei Süßwaren die verwendeten Portionsgrößen meist nicht der Realität entsprechen. Die Hersteller würden absichtlich sehr kleine Portionsgrößen wählen, damit der angegebene Zucker- oder Fettgehalt niedriger erscheine, als er tatsächlich ist.

 

Viel bringt nicht automatisch viel

Frühstückszerealien und andere Produkte werden häufig mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. Mehrheitlich ist dies unnötig – weil es sich meistens um Nährstoffe handelt, mit denen die Bevölkerung ohnehin schon gut versorgt ist. Offenbar setzen die Hersteller süßen und/oder fetten Produkten Vitamin- und Mineralstoffe vor allem deshalb zu, um ihnen ein gesünderes Image zu verpassen. Eine Anreicherung nach dem „Gießkannenprinzip“ birgt zudem das Risiko in sich, dass Personen, die viele angereicherte Lebensmittel konsumieren, von bestimmten Nährstoffen zu viel aufnehmen. Speziell die Anreicherung mit Eisen wird sehr kritisch gesehen, da zu viel Eisen dem Körper schaden kann.

„Das beste Rezept für eine gute Versorgung mit Vitaminen und Nährstoffen ist nach wie vor eine vielseitige, abwechslungsreiche Kost mit reichlich frischen Zutaten, speziell Gemüse und Obst, und Vollkornprodukten“, so das Resümee der Verbraucherzentrale Südtirol.

 

Weiterführende Informationen:

https://www.flickr.com/photos/98784294@N08/collections/72157664805049398/: Fotogalerie von BEUC mit den Produktbeispielen

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