VZS appelliert zum Europatag die EU-Institutionen näher an die BürgerInnen heranzurücken
Der Auftakt für das Zusammenwachen Europas bildete eine Rede, die der französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 hielt. Daraus ist der Europatag entstanden.
In jenen Jahren sind Europa weit auch die ersten Verbraucherorganisationen gegründet worden. Zur Aufklärung, Information und Beratung der Verbraucher wurden sie durch vergleichende Produkttests, Publikationen und Lobbyismus aktiv. Damals ging es noch vorwiegend um Haushaltsgeräte, später auch um Finanzprodukte und Versicherungen, um unlautere Werbung und Praktiken, um das Preis/Leistungs-Verhältnis.
Im Zuge der europäischen Einigung hat somit die EU-Verbraucherpolitik die Lebensmittelkennzeichnung, das Kaufrecht, die Produktsicherheitsstandards und die Anforderungen an Kreditinformationen in den Fokus gerückt. Die Rechte, die wir heute als VerbraucherInnen in ganz Europa wie selbstverständlich in Anspruch nehmen entspringen dabei der angehenden EU-Verbraucherrechts-Gesetzgebung. In Europa wurde seit dem ersten verbraucherpolitischen Programm 1975 ein robustes Verbraucherschutz-Niveau entwickelt von dem die BürgerInnen profitieren und auf das für die Zukunft aufgebaut werden kann. Die EU bietet ihren BürgerInnen somit „greifbare“ Vorteile, die wir im Alltag oft irrtümlich als selbstverständlich hinnehmen.
EU-Vorgaben verpflichten Lebensmittelhändler – von der Bäuerin bis zur multi-nationalen Supermarktkette – Hygienevorschriften und Sicherheitsvorschriften zu befolgen. Dank eines EU-weiten Warnsystems werden gefährliche Nahrungsmittel effizient vom Markt genommen. Kennzeichnungspflichten ermöglichen es den VerbraucherInnen herauszufinden, was in ihrem Essen steckt und die gesündeste Auswahl zu treffen, wenn sie dies möchten.
EU-Verordnungen sorgen dafür, dass Kinderspielzeug, das wir in Shops überall auf dem Kontinent kaufen können, unsere Kinder nicht verletzt oder vergiftet. Sie sorgen dafür, dass Alltagsdinge wie Föns oder Babykleidung Sicherheitsstandards erfüllen, egal wo sie hergestellt werden. Auch hier sorgt ein zwischenstaatliches Warnsystem dafür, dass unsichere Produkte zügig vom Markt genommen werden.
Wenn ein Flug ausfällt oder Verspätung hat, oder wenn Reisenden verweigert wird, an Bord zu gehen, dann sind Passagiere dazu berechtigt, Hilfe in Anspruch zu nehmen und eine finanzielle Entschädigung zu erhalten.
In noch viel mehr Bereichen hat EU-Recht den Verbraucheralltag positiv beeinflusst. Zum Beispiel indem starke Gesetze zum Inverkehrbringen von chemischen Produkten, medizinischen Erzeugnissen und Kosmetika erlassen wurden. In der EU gibt es ein einheitliches Widerrufsrecht mit dessen Hilfe von Online-Käufen zurückgetreten werden kann, ein einheitliches Datenschutzrecht mit hohen Standards, die Abschaffung von Roaminggebühren und so vieles mehr. Was die EU für den Verbraucher erreicht hat, ist hervorragend. Die EU hat ein Schutzniveau für Verbraucher geschaffen, das als Inspiration für Verbraucherinnen und Verbraucher überall auf der Welt dient.
Europa steht heute nicht so gut da: politische Krisen, eine wachsende Kluft zwischen der politischen Elite und den BürgerInnen sowie der Brexit haben der Union geschadet.
Verbraucherpolitik ist einer der Bereiche, wo die EU direkt mit den BürgerInnen in Kontakt treten und ihr Leben positiv beeinflussen kann. Verbraucherpolitik kann das Vertrauen der Menschen in eine immer komplexere Gesellschaft wiederherstellen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist dabei der kürzlich von der EU-Kommission veröffentlichte "New Deal for Consumers", mit welchem europaweite Verbandsklagen im Verbraucherrecht vorgeschlagen werden. Doch es gibt viel zu tun: längere Gewährleistungsfristen für langlebige Gebrauchsgüter, Verbesserung des Kenntnisstands über die Verbraucherrechte, verschärfte Durchsetzung der Verbraucherschutzbestimmungen, Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten der Verbraucher und vieles mehr. Vor allem die schwachen Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten in einzelnen Mitgliedsstaaten wie z.B. in Italien und die mangelnde Marktkontrolle seitens der öffentlichen Hand sind tragen zu einer Verdrehung der Realität bei.
Darum rufen der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) Agostino Accarrino und der VZS-Geschäftsführer Walther Andreaus die Vertreter in den EU-Institutionen dazu auf, den Verbraucher/die Verbraucherin ins Zentrum ihrer Überlegungen zur Zukunft der Europäischen Union zu stellen. „In einer zunehmend unübersichtlichen und von multinationalen Großunternehmen geprägten Welt, die die VerbraucherInnen gerne zu ihrem Spielball machen, müssen die EU-Institutionen wieder ihrer Rolle gerecht werden und für die VerbraucherInnen Chancengleichheit herstellen.“