Offener Brief an den Landeshauptmann Kompatscher und den Energielandesrat Theiner
Die vorgesehene Weitergabe von Gratis-Strom kann den bevorstehenden Belastungen durch Neuberechnung der Strompreise und Abschaffung des Geschützten Marktes vorbeugen
Die Entwicklung der Strompreise in Südtirol ist zunehmend negativ und führt zu immer mehr Belastungen der Haushalte. „Wir liegen wegen der Einbettung in den italienischen Strommarkt in Europa mit an der Spitze“, so der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) Agostino Accarrino und VZS-Geschäftsführer Walther Andreaus unisono. Die sogenannte Heimholung des Stroms gerät ohne direkte Vorteile für BürgerInnen zur Makulatur. „Damit auch die Bürgerinnen und Bürger direkte Vorteile aus der neuen Energiepolitik ziehen, ist die Anwendung des Art. 13 des Autonomiestatuts unumgänglich, zumal auch schon über 40 Jahre seit dem Beschluss vergangen sind“, dies stellte der Vorstand der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) bei seiner letzten Sitzung fest. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Neuberechnung der Strompreise ab 2016 und die Abschaffung des Geschützten Marktes ab 2018 vermutlich zu höheren Strompreisen führen werden. Diese Belastungen für die Südtiroler Haushalte könnten mit der Anwendung des Autonomiestatuts abgewendet werden.
Die Verbraucherzentrale Südtirol verlangt daher den vorgesehenen Gratis-Strom nicht nur, wie im Trentino vorgesehen, für öffentliche Einrichtungen zu verteilen, sondern auch den Familien im Ausmaß von 300 Kilowattstunden jährlich je Familienmitglied für die Erstwohnung zur Verfügung zu stellen. Dies kann auch für Bauern, Handwerker, Kaufleute, Gastwirte und Selbständige erfolgen, dadurch wäre auch die Wirtschaft mitbeteiligt. Hingegen ist eine Beteiligung der Betriebe am Gratis-Strom nicht vorgesehen und würde Wettbewerbsprobleme aufwerfen. Auch ökologische Bedenken sind angesichts der geringen Gratis-Strom Menge nicht von Belang.
Daher fordert die VZS in Südtirol auch die Privathaushalte zu beteiligen so wie im Autonomiestatut vorgesehen. Nachdem klar ist, dass die Kosten für die Verteilung des Gratis-Stroms nicht den Kunden angelastet werden können und von den Konzessionären zu erbringen sind, ist es Zeit die Vorteile des Stromlandes Südtirol die Haushalte direkt spüren zu lassen. Der Vorstand der Verbraucherzentale Südtirol ruft die Landesregierung dazu auf, beim Gratisstrom für die Bürger mehr Einsatz zu zeigen. Nur so kann dem Eindruck entgegengewirkt werden, dass wenn es um eigene Anliegen der Volksvertreter geht, die autonomen Zuständigkeiten eher ausgeschöpft werden.
Bei der Deckung des Eigenbedarfs der Landeskörperschaften und der Verteilung an die BürgerInnen gäbe es einen gewaltigen Mehrwert. Dem Land würde bei 300 kWh Gratis-Strom je Bürger und Jahr nur ein Kostenfaktor von 23,76 Euro entstehen (da das Land knapp 8 Cent je kWh erhält), für die Stromabnehmer selbst würde sich jedoch eine Einsparung von 60 (bei 0,20 Euro/kWh) bis 90 Euro (bei 0,30 Euro/kWh) pro Kopf und Jahr ergeben (je nachdem ob jemand einen Haushaltsanschluss mit einer Leistung von 3 kW oder 4,5 kW verfügt).
Fürwahr ein großer Wurf, der endlich die BürgerInnen am Stromkuchen teilhaben lässt, ohne dass übermäßige Kosten entstehen.
Die Entwicklung der Strompreise in Südtirol
Zahlte im Jahr 2011 eine Südtiroler Familie mit einem Verbrauch von 2.700 kWh mit dem Angebot „FamilienPlus“ von Seltrade 379,92 Euro, so zahlt dieselbe Familie heute mit dem Angebot Alperia Welcome („monoraria“) stolze 464,45 Euro, also um 22% mehr. Bereits vor einigen Monaten (siehe hierzu Medieninformation vom 6. April 2016) hatte die VZS Alperia vorgeworfen, die eigene, neue Angebotspalette etwas zu überschwänglich beworben zu haben: obschon die Angebote unter den besten sind, die sich über den offiziellen Vergleichsrechner Trovaofferte auffinden lassen, sind die Preise der neuen Energiegesellschaft doch sehr weit entfernt von jenen Tarifen, die die Familien in Südtirol noch vor wenigen Jahren aktivieren konnten (glücklich all jene, die noch die „alten“ Sel-Tarife nutzen können!), aber auch von dem, was man sich gerechtfertigterweise von einem lokalen Strommarkt, der den Nutzen aller im Auge hat, erwarten könnte. Im gleichen Zeitraum hat sich der Tarif des geschützten Markts von 420,01 Euro (Februar 2011) auf 476,38 Euro (September 2016) erhöht; das sind knapp 13%.