VZS: Gemeinden sollten bald aktiv werden
Im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenzen hatte der Landtag im August die Durchführungsverordnung für die Trinkwassertarife in Südtirol beschlossen (DLH Nr. 29 vom 16.08.2017). Die Verordnung setzt die Vorgaben des entsprechenden Landesgesetzes um (LG 8/2002, Art. 8), welches wiederum auf den Grundsätzen der EU-Richtline 2000/60/EG fußt.
Eine der Neuheiten der Verordnung sind die Schutzmaßnahmen für Abnehmer in finanziell oder sozial schwierigen Lagen, welche kurz als „Sozialbonus Wasser“ bezeichnet werden können (auf nationaler Ebene spricht die Aufsichtsbehörde AEEGSI von „bonus sociale idrico“, aber dieser Begriff wird im lokalen Normenwerk nicht aufgegriffen).
Die Verordnung legt fest: „In Fällen besonderer sozialer Relevanz können in der Tarifverordnung der Gemeinde die Kriterien für die Befreiung oder Herabsetzung des Tarifs festgelegt werden.“
Die detaillierte Regelung des Tarifs liegt also bei den einzelnen Gemeinden, welche somit unter anderem festlegen können, dass BürgerInnen in Notlagen teilweise oder zur Gänze von der Zahlung des Tarifs befreit werden können.
Weiter im Text der Verordnung: „Die aufgrund der Befreiung oder Herabsetzung fehlenden Tariferträge dürfen nicht mit den Gebühren der anderen zur Zahlung verpflichteten Abnehmer beglichen werden“. Die Gemeinden müssen also die Deckungsbeiträge außerhalb des Wassertarifs ausfindig machen.
„Im Falle von nicht bezahlten Rechnungen für die Nutzungskategorie Haushalt darf die Lieferung des Trinkwassers nicht unterbrochen werden. Für jeden Einwohner sind als lebensnotwendiges Minimum mindestens 50 Liter Trinkwasser pro Tag zu garantieren.“ Diese Menge entspricht der sogenannten „Lebensminimum-Menge“ in Italien (vlg. DPCM 13. Oktober 2016, Sozialtarif des Wasserdienstes).
Somit sind auch auf Landesebene wichtige Schutzmaßnahmen in Sachen Trinkwasser für Haushalte verankert, auch im Sinne der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Diese sichert nämlich allen BürgerInnen den Zugang zu den Diensten allgemeinen wirtschaftlichen Interesses, wie eben z. B. das Trinkwasser.
Das Wort geht nun an die Gemeinden über, welche im Detail die Landesvorgaben umsetzen müssen.
Was sieht die neue Verordnung noch vor?
- Die Gemeinden beschließen die Trinkwassertarife jährlich vor der Verabschiedung des Haushaltsvoranschlages.
- Die Grenze für den jährlichen maximalen Tarifanstieg (Tarifdeckelung) beträgt 4,5%.
- Der Trinkwassertarif setzt sich aus den Elementen a) jährlicher Fixtarif und b) verbrauchsabhängiger Tarif zusammen. Der jährliche Fixtarif deckt bis zu 30% der Gesamtkosten und wird auf der Grundlage der Zählergröße und des Vorhandenseins von Feuerlöschhydranten und/oder Sprinklern definiert.
- Der verbrauchsabhängige Tarif für Haushalte kann ein „verbrauchsabhängiger Einheitstarif“ oder ein „die Einsparung fördernder Tarif mit mehreren Tarifklassen“ (dabei sind gewisse Verbrauchsmengen günstiger) sein.
- Es ist auch ein „verbrauchsabhängiger Tarif für Nicht-Haushalte“ sowie für „Anschlüsse mit gemischten Wassernutzungen“ vorgesehen.
- Die Gemeinde und/oder die Betreiber sorgen auf dem gesamten Gemeindegebiet mindestens einmal jährlich innerhalb März des Folgejahres für die Einhebung der Tarife, auf Grundlage des durch Zählerablesung tatsächlich festgestellten Verbrauchs.
- Der Betreiber kann eine Kaution zur Sicherstellung des Zählers und der Zahlung des Tarifs einheben. Die Höhe der Kaution richtet sich nach der Größe des Zählers.
Schlussendlich legt die Verordnung die für die Berechnung des Tarifs zulässigen Kosten, die maximal mögliche Zunahme der Einnahmen sowie die Regeln für eine effiziente finanzielle Verwaltung des Dienstes fest.
Dazu erklären der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) Agostino Accarrino und der Geschäftsführer Walther Andreaus: „Die Gemeinden haben es nun in der Hand, dass das Grundrecht auf Wasserversorgung für alle BürgerInnen verwirklicht wird, auch für jene, die sich in wirtschaftlichen oder sozialen Schwierigkeiten befinden. Die VZS ruft die Südtiroler Gemeindeverwalter auf, die neuen Bestimmungen zügig und Gemeinwohl orientiert umzusetzen. Dabei sollte darauf Bedacht genommen werden, dass es nicht zu großen Unterschieden zwischen den Gemeinden kommt und dass somit ähnliche Kriterien angewandt werden. Als Mindeststandard sollte Menschen in Notlagen die Mindestversorgungsmenge kostenlos zugesichert werden.“
Bezugsnormen:
- Richtlinie 2000/60/EG
- LG Nr. 8/2002, Art. 7 und 7bis
- DLH Nr. 29 vom 16. August 2017
- DPCM 13. Oktober 2016