VZS unterstreicht erneut: Gemeinden dürfen sich nicht weigern, den Bonus zu gewähren!
Der Fall klingt fast unwahrscheinlich: eine Bozner Bürgerin erhält von der nationalen Aufsichtsbehörde für Strom und Wasser (ARERA) ein Schreiben, indem man sie davon in Kenntnis setzt, dass sie bei Anrecht auf den Strom- und Gasbonus ebenso Anrecht auf den Wasserbonus hat. Dieser Bonus, von einer nationalen Norm geregelt, sieht laut Aufsichtsbehörde vor, dass z.B. eine Familie von 4 Personen 73 Kubikmeter Wasser pro Jahr nicht bezahlen muss, sondern kostenlos erhält, da auf diese ein essentielles Recht besteht.
Die Dame, deren wirtschaftliche Lage keine einfache ist, ist sehr erfreut: obschon ein Kubikmeter Wasser der unteren Verbrauchsklassen knapp 30 Cent kostet, wäre auch dieser Bonus für sie eine Hilfe.
Daher begibt sie sich zum Bürgerzentrum der Gemeinde Bozen und will um den Bonus ansuchen. Denn die Aufsichtsbehörde sagt, sie brauche bei der Erneuerung des Ansuchens um Strom- und Gasbonus lediglich die Informationen zu vervollständigen, um auch den Wasserbonus zu erhalten. Doch im Bürgerzentrum stößt die Dame auf Widerstand. Die Gemeinde, so die Auskunft, habe diesen Bonus nie beschlossen, und dieser werde daher auch nicht ausbezahlt.
Die Dame ist – zurecht – entrüstet. Wie kann es sein, dass ihr die zuständige Aufsichtsbehörde einen Bonus zusagt, die Gemeinde Bozen, oder besser gesagt SEAB im Auftrag derselben, diesen aber verweigert? Sie wandte sich daher an die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), um Klarheit zu erhalten. Wir haben versucht, von SEAB, die sich im Auftrag der Gemeinde um das Wasser kümmert, die Anerkennung des Bonus einzufordern, stießen aber ebenfalls auf geschlossene Türen.
Soweit ersichtlich geht die Interpretation der Gemeinden dahin, dass in Südtirol nicht das nationale Gesetz gelte, sondern ein Dekret des Landeshauptmanns aus dem Jahr 2017 diesen Bereich regle. In diesem Dekret liest man: 'In Fällen besonderer sozialer Relevanz können in der Tarifverordnung der Gemeinde die Kriterien für die Befreiung oder Herabsetzung des Tarifs festgelegt werden'. Das springende Wort ist dabei „können“ - denn Südtirols Gemeinden interpretieren dies eben dahingehend, dass sie keinen Bonus gewähren müssen.
In der Verbraucherzentrale Südtirol ist man gänzlich anderer Ansicht. „Es handelt sich beim nationalen Bonus um eine vom Staat festgelegte Maßnahme, deren verpflichtende Anwendung nicht zur Diskussion steht. Was die Gemeinden in Südtirol darüber hinaus, im Rahmen der vom Dekret des Landeshauptmann geschaffenen Möglichkeiten für ihre BürgerInnen festlegen wollen, ist ihnen selbstverständlich freigestellt. Dass sie dieses Dekret aber legitimiert, den BürgerInnen in schwierigen finanziellen Lagen den Bonus vorzuenthalten, ist ausgeschlossen“ meint VZS-Geschäftsführer Walther Andreaus.
Da weder der Beschwerdeweg über die Aufsichtsbehörde noch die Abmahnung an Gemeinde Bozen und SEAB Wirkung zeigten, hat man in der VZS beschlossen, die Sache der Gerichtsbarkeit vorzulegen, damit sie die Angelegenheit auslote, eventuell auch hinsichtlich strafrechtlicher Aspekte. Eine Bestimmung des Strafgesetzbuchs verfügt, dass eine öffentliche Verwaltung, die eine per Gesetz vorgesehene Amtshandlung verweigert oder nicht durchführt, auf Anfrage zumindest innerhalb von 30 Tagen erklären muss, warum diese Amtshandlung nicht durchgeführt wurde oder was der Grund der Verzögerung ist, um keine strafrechtliche Verantwortung auf sich zu laden.
In der Zwischenzeit wiederholt man aus der Verbraucherzentrale den Aufruf an Südtirols Gemeinden aus dem Vorjahr, der gänzlich ungehört verhallt und unbeantwortet geblieben ist: sie müssen endlich dafür sorgen, dass die Gesuchsmöglichkeiten für den Wasserbonus aktiviert werden.
„Bis dahin werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ins Feld führen, um den VerbraucherInnen in schwierigen finanziellen Lagen zu ihrem Recht auf den Wasser-Bonus zu verhelfen. Im Vorschlag zur Trinkwasser-Richtlinie der Europäischen Kommission liest man dass „Zugang zu sicherem Trinkwasser untrennbar mit dem Recht auf Leben und der Menschenwürde gemäß Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbunden ist“ - auch in diesem Sinn täten Südtirols Gemeinden gut daran, diesen Bonus schnellstmöglich umzusetzen. Dabei sollte auf unbürokratische Automatismen, wie von der Aufsichtsbehörde angesprochen, gesetzt werden“ heißt es aus der VZS. „Der Versuch, unter dem Vorwand der lokalen Gesetzgebungskompetenzen die nationalen Rechte einfach wegzuargumentieren kann und darf so nicht bestehen bleiben, da so unakzeptable Unterschiede zwischen den BürgerInnen geschaffen werden.“