Geht es nach der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, dann sollen in Zukunft auch Menschen in den westlichen Ländern Insekten essen. Denn Grillen, Heuschrecken und Co sind reich an hochwertigen Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen. Sie verbrauchen im Verhältnis weniger Wasser, weniger Futter und weniger Land als Schweine oder Rinder, wandeln Futter effizienter in Proteine um und verursachen weniger Treibhausgasemissionen. Von der Insektennahrung verspricht sich die FAO nichts weniger als die Lösung des Welternährungsproblems, eine Verbesserung der Ernährungssituation in ärmeren Gesellschaften sowie die Eindämmung des Klimawandels.
Nüchtern betrachtet, werden Käfer, Raupen, Ameisen, Heuschrecken, Grillen und viele mehr schon seit Jahrtausenden vom Menschen verspeist, aktuell von rund zwei Milliarden Menschen weltweit, hauptsächlich in Asien, Afrika, Lateinamerika und Australien, und gelten sogar als Delikatesse. In westlichen Ländern dagegen ist die Ablehnung noch groß. Trotzdem versuchen immer mehr Start-up-Unternehmen, für Nahrungsmittel aus oder mit Insekten auch in den europäischen Ländern einen Markt zu schaffen, größtenteils über den Online-Handel. Der Branche wird ein kräftiges Wachstum vorhergesagt.
In der Europäischen Union gelten essbare Insekten und insektenhaltige Lebensmittel rechtlich als neuartige Lebensmittel (Novel Food) und bedürfen einer Risikobewertung und einer Zulassung. Seit Mai 2021 ist die Larve des Gelben Mehlwurms aus der Familie der Schwarzkäfer EU-weit als neuartiges Lebensmittel zugelassen und kann im Ganzen oder in verarbeiteter Form (z.B. als Mehl) in Lebensmitteln verwendet werden.
„Personen, die auf Krebstiere oder Milben allergisch sind, könnten jedoch auch auf Insekten allergisch reagieren“, gibt Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol, zu bedenken. „Zudem gibt es Kritik an den Produktionsbedingungen.“ Vom wachsenden Markt für Insekten profitieren in erster Linie finanzkräftige Investoren und weniger die lokale ländliche Bevölkerung. In Thailand, wo essbare Insekten sowohl wild gesammelt als auch in Farmen gezüchtet werden, ist Kinderarbeit an der Tagesordnung. Wild gesammelte Insektenarten sind in manchen Gegenden bereits knapp geworden. Die Preise sind angestiegen, Speiseinsekten kosten zum Teil mehr als Fleisch und sind für arme Menschen nicht leistbar. Problematisch sind aus ökologischer Sicht auch Futtermittel wie Import-Soja und Fischmehl. Laut Analysen sind Grillenzuchten insgesamt nicht umweltfreundlicher als Hühnermastfarmen. Die Massenzucht von Insekten könnte zudem, ähnlich wie die herkömmliche Tierzucht, Krankheiten, Antibiotikaeinsatz und Tierleid mit sich bringen.