Südtiroler Studie über Online-Preisdiskriminierung

Zahlen Verbraucher beim online shoppen je nach Uhrzeit, Standort oder Endgerät verschiedene Preise?

 

In einer aktuellen Studie haben Südtiroler Forscher zusammen mit der Verbraucherzentrale Südtirol – zumindest vorerst – die Befürchtung von Konsumenten, dass sie in Abhängigkeit ihres Standorts und Endgeräts höhere Preise im Internet zahlen müssen, entkräften können. Für ausgewählte Produkte und Dienstleistungen wurden an verschiedenen Tagen die Preise an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Smartphones mit Hilfe eines strikten Analyseprotokolls erfasst. Das erfreuliche Fazit der Studie: Für das gewählte Setting konnte keine unfaire Online-Preisdiskriminierung festgestellt werden.

Die Preisgestaltung von Online-Händlern ist von einer Dynamik geprägt, die im klassischen Handel nur in eingeschränktem Umfang existiert. So gibt es auf amazon.com pro Tag wohl mindestens 2,5 Millionen Preisänderungen, die aufgrund von automatisierter Datenanalyse erfolgen und das Ziel verfolgen, Umsatz und Gewinn zu maximieren. Auch Dienstleister wie das Skigebiet Engadin St. Moritz verfolgen diese Strategie der dynamischen Preisgestaltung (Englisch: dynamic pricing), bei der sich die Ticketpreise in Abhängigkeit von Wetter, Auslastung und Nachfrage minutenschnell und automatisch ändern können. Diese Strategie der dynamischen Preisgestaltung kann sich zwar auf Verbraucher positiv auswirken, die an Tagen mit weniger Nachfrage einen geringeren Preis zahlen. Aber am Wochenende sind die Preise deutlich höher, sodass sich manch eine Familie vielleicht keinen Ausflug leisten kann.

Eine ähnliche, davon zu unterscheidende Strategie ist die variable Preisgestaltung (Englisch: variable pricing). Hierbei werden vor dem Verkaufsstart Preise festgelegt, die an bestimmte Kriterien geknüpft sind. Beispielsweise ist das Leihauto am Samstag immer teurer als am Mittwoch oder ein Fußballticket kostet beim Spiel gegen einen attraktiven Gegner wesentlich mehr als im Durchschnitt. Bei der dynamischen und bei der variablen Preisgestaltung gilt: Je höher die Nachfrage, desto höher auch der Preis. Diese Preisdifferenzierungen sind legitim und bekannt.

Dies kann man für die dritte Strategie, die Preisdiskriminierung (Englisch: price discrimination) im Regelfall nicht sagen. Hierbei beeinflussen persönliche Charakteristika der Konsumenten oder andere nicht objektive und in vielen Ländern als unzulässig gekennzeichnete Faktoren den Preis, z.B. der Aufenthaltsort zum Kaufzeitpunkt, Lifestyle oder Interessen. Im Gegensatz zur dynamischen und variablen Preisgestaltung beeinflusst hier die individuelle Zahlungsbereitschaft den Preis. Preisdiskriminierung kann zumindest als unfair, in vielen Fällen aber auch als gesetzeswidrig beschrieben werden. Bezieht sich z.B. Diskriminierung auf Geschlecht, Rasse, Religion oder Behinderung, so ist Preisdiskriminierung laut Art. 21. der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verboten. Trotzdem zeigen wiederholte Untersuchungen aus der Vergangenheit, dass insbesondere geographische Preisdiskriminierung von vielen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen sowohl im Online- als auch im Offlinehandel angewandt wird.

Die Verbraucherzentrale Südtirol hat aus diesem Grund ein Projekt in Auftrag gegeben, das im Oktober 2022 abgeschlossen wurde. Es sollte untersucht werden, ob italienische und österreichische Online-Händler grenzwertige bzw. gesetzlich verbotene Formen der Preisdiskriminierung oder eine nicht nachvollziehbare variable Preisgestaltung betreiben. „Wir wollten herausfinden, ob diese Form der Preisdiskriminierung auch Südtiroler Konsumenten betrifft,“ so Gunde Bauhofer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol. „Da mehr und mehr Südtirolerinnen und Südtiroler online einkaufen, wird das Thema Online-Shopping auch für uns immer wichtiger.“

Um Daten für die Studie zu sammeln, wurden im ersten Schritt neun Webseiten ausgewählt. Dies waren jeweils drei Online-Shops aus den Bereichen Lebensmittel, Nicht-Lebensmittel und Dienstleistungen aus Südtirol, Restitalien und Österreich. Das waren unter anderem Nudeln, Möbel, Theaterkarten und Flugtickets. Anschließend wurden in jedem der drei Gebiete Teilnehmer an fünf unterschiedlichen Standorten rekrutiert: Bozen, Meran, St. Ulrich in Gröden, Brixen und Toblach (Südtirol), Pergine Valsugana, Mailand, Parma, Rom und Taranto (Italien) sowie Innsbruck, Salzburg, Graz, Linz und Wien (Österreich). Die Teilnehmer mussten über einen Zeitraum von einer Woche an fünf vorgegebenen Tagen alle Webseiten besuchen und die Preise und Uhrzeit notieren.

Geleitet und durchgeführt wurde die Studie von Prof. Michael Nippa (Freie Universität Bozen) und Prof. Thomas Aichner (Wissenschaftlicher Leiter der Südtirol Business School). „Besonders wichtig war es, dass sich alle Teilnehmer an die strikten Vorgaben zur Datensammlung halten,“ erklärt Thomas Aichner. „Die Daten wurden mit Smartphones gesammelt. Dafür mussten die Personen das WLAN deaktivieren und sich mit 4G verbinden. Anschließend mussten alle den gleichen Browser verwenden und die Links in den Browser kopieren. Durch diese Vorgehensweise wurde sichergestellt, dass die Daten zuverlässig und vergleichbar sind.“

Michael Nippa fasst die Ergebnisse zusammen: „Wir haben keine Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Standorten festgestellt. Ein Kunde hätte also für das gleiche Produkt in Salzburg genauso viel bezahlt wie in Taranto oder in Brixen. Es machte auch keinen Unterschied, ob jemand das neueste iPhone oder ein älteres Android-Gerät für den Besuch der Webseite genutzt hat. Das schließt natürlich nicht aus, dass es Preisdiskriminierung im Internet gibt, aber unsere Ergebnisse geben Anlass zu einer gewissen Entwarnung.“ Beide Forscher unterstreichen in diesem Zusammenhang, dass ein anderes Forschungsdesign womöglich zu anderen Ergebnissen führen könnte. So sollen in zukünftigen Studien unterschiedlichen Browser verwendet oder andere Firmen als Stichprobe ausgewählt werden.

„Wir als Verbraucherzentrale Südtirol freuen uns natürlich über die Ergebnisse. Es ist ein Zeichen, dass die von uns ausgewählten Südtiroler, italienischen und österreichischen Unternehmen ihre Preise transparent gestalten,“ fasst Gunde Bauhofer zusammen. „Es gibt aber genügend andere Gefahren, die vor allem auf unerfahrene Nutzer im Internet lauern. Das ist zum Beispiel der Diebstahl von Zahlungsinformationen oder der Identität, die dann von Kriminellen genutzt werden und für Betroffene einen großen finanziellen Schaden verursachen können. Das kommt vor allem bei sogenannten Fake-Webseiten vor, die anscheinend echte Produkte zu viel günstigeren Preisen verkaufen, aber in Wirklichkeit das Geld und/oder die Daten von Webseitebesuchern stehlen.“ Dieses Projekt wurde vom MiSE. G. 388/2000 - Jahr 2021 finanziert.

 

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