Unlautere Geschäftspraktiken im Energiesektor

Millionenstrafe für das auch in Südtirol tätige Unternehmen
Facile Energy

 

VZS: Wichtiges Zeichen der Marktaufsichtsbehörde
Strafmaß sollte jedoch in solchen Fällen bis zur Unterbrechung der Geschäftstätigkeit verschärft werden

 

Im letzten Jahr haben sich bei der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) zahlreiche Verbraucher:innen gemeldet, die per Telefon "betrügerische" Verträge abgeschlossen hatten.

Vor einigen Wochen wurde nun das auch in Südtirol sehr aktive Energieunternehmen „Facile Energy S.r.l.“ von der Aufsichtsbehörde für Wettbewerb und Markt (AGCM) wegen einer Reihe unlauterer Geschäftspraktiken sowie aufgrund von Verstößen gegen die Vorschriften zum Schutz der Verbraucher:innen beim Abschluss von Fernabsatzverträgen gestraft (vlg. Bollettino Nr. 1 vom 02.01.2023 der AGCM). Die von der AGCM verhängte Geldstrafe beläuft sich auf 2 Millionen Euro.

 

Die beanstandeten und bestraften Verhaltensweisen dieser Firma betrafen u. a. folgende Aspekte:

  • Abschluss von Verträgen und/oder Aktivierung von Lieferungen durch Fernabsatz und Haustürgeschäfte, ohne eine Unterschrift bzw. eindeutige Willensäußerung zum Vertragsabschluss;
  • Übermittlung von irreführende Informationen, durch Unterlassung von relevanten Informationen in Bezug auf die Identität des Gewerbetreibenden, den Zweck des Besuchs oder des Telefongesprächs, die Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag oder dem Telefonvertrag ergeben, mit dem Zweck, eine Einwilligung zum Vertragsangebot zu erreichen;
  • die ungerechtfertigte Unterbrechung (oder drohende Unterbrechung) der Versorgung; dies geschah häufig sogar bei bei nicht oder verspätet zugestellten Rechnungen, sowie kurz nach der Zahlungsaufforderung, und sogar ohne vorherige Übersendung der Vertragsunterlagen und des Begrüßungsschreibens (auch in Südtirol wurden zahlreiche Fälle von Unterbrechungen gemeldet!)
  • Verhinderung der Ausübung der gesetzlich vorgesehenen Verbraucherrechte, wie z.B. die Nichtbeachtung des ordnungsgemäß ausgeübten Widerrufsrechts (die Antitrust schreibt: "... das Unternehmen hat in mehreren Fällen das Recht auf Widerruf verweigert, obwohl es von Neukunden innerhalb der vorgeschriebenen Frist (14 Tage nach Vertragsabschluss, Anm. d. Verf.) unverzüglich ausgeübt wurde, mit der Begründung, dass die vorgeschriebene Frist bereits verstrichen war.")

 

Außerdem heißt es in der Verfügung der Antitrust: "Es hat sich herausgestellt, dass der Gewerbetreibende, …, die Zahlung der Leistungen auch von Nutzern verlangt hat, die bereits ein Beschwerdeschreiben eingereicht hatten, um den Vertrag zu widerrufen oder die unerwünschte Aktivierung der Lieferung anzufechten. In diesen Fällen wurden Zahlungsaufforderungen und Mahnungen zugeschickt, obschon Beschwerden und Informations- und Klärungsersuchen von Verbrauchern vorlagen. Außerdem gab es kein System zum Beschwerde-Management, das es erlaubt hätte, eine rasche und angemessene Bearbeitung der Beschwerden zu ermöglichen …".

Eine zweite unlautere Geschäftspraxis, die von der AGCM festgestellt und abgestraft  wurde, betraf die Belastung der so genannten "Systemgebühren" in den Rechnungen im Zeitraum zwischen November 2021 bis August 2022. Diese Belastung läuft nämlich den geltenden Rechtsvorschriften zuwider, da diese Gebühren im entsprechenden Zeitraum vom Staat auf Null gesetzt worden waren. Bei der Beantwortung von Verbraucherbeschwerden in Bezug auf diese ungerechtfertigten Gebühren wurden von der Firma außerdem nur irreführende Informationen verbreitet.

Der vollständige Wortlaut des Beschlusses gegen Facile Energy S.r.l. kann auf der Website der AGCM www.agcm.it unter “Bollettini settimanali” eingesehen werden.

Die Geschäftsführerin der VZS, Gunde Bauhofer, kommentiert: "Viele der in Südtirol von diesen unlauteren Praktiken betroffenen Verbraucher:innen waren deutscher Muttersprache oder sind besonders schutzbedürftig, was darauf hindeutet, dass dieses Unternehmen oder die dafür beauftragten Agenturen dies entsprechend bewusst ausgenutzt haben, um Verträge zustande zu bringen. Wenn wir die Menge der gemeldeten Fälle berücksichtigen, scheint die verhängte Strafen fast noch zu "milde". Jedenfalls raten wir dringend davon ab, auf telefonische Angebote einzugehen, ohne vorher ein schriftliches Angebot erhalten zu haben."

Die VZS weist darauf hin, dass es bei irreführenden und/oder unlauteren Verhalten von Energie- oder Gasanbietern - auch bei telefonischen Angeboten - immer wichtig ist, dieses Verhalten der Verbraucherzentrale Südtirol (info@verbraucherzentrale.it) sowie der AGCM (www.agcm.it) und der Aufsichtsbehörde für Energie, Netze und Umwelt ARERA (www.arera.it) schriftlich zu melden.

 

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