Die „alte“ Gentechnik erzeugt in den meisten Fällen transgene Organismen: Gene von Lebewesen einer Art (z.B. ein Bakteriengen) werden in die Zellen einer nicht verwandten Art (z.B. einer Maispflanze) übertragen. Die dafür verwendeten Techniken wie die Genkanone und die Genfähre sind nicht spezifisch, es entscheidet also der Zufall darüber, wo die neuen Gene in das Erbgut eingebaut werden.
Demgegenüber stehen seit einigen Jahren neue gentechnische Verfahren wie die so genannte Genschere (CRISPR/Cas-Technik). Die „Schere“ ist ein Enzym (Cas9-Enzym). Dieses wird, gekoppelt an eine Leit-RNA, in die Zielzelle eingeschleust. Die Leit-RNA hat jeweils eine ähnliche Struktur wie die zu verändernde Stelle des Erbguts und dockt genau dort an, woraufhin das Cas9-Enzym beide DNA-Stränge durchtrennt (Doppelstrangbruch). An der Schnittstelle kann nun die zelleigene „Reparatur“ spontan erfolgen, gezielt ein DNA-Abschnitt entfernt oder ein miteingeschleuster neuer DNA-Abschnitt eingefügt werden. Möglich sind zudem komplexere Veränderungen an mehreren Stellen im Erbgut. Auf diese Weise werden Gene verändert, stillgelegt oder in ihrer Wirkung verstärkt, um so die Eigenschaften des Zielorganismus zu verändern. Die neuen Gentechnikverfahren sind zwar präziser als jene der klassischen Gentechnik und es sollen damit in erster Linie cisgene Pflanzen – Pflanzen, die keine artfremden Gene erhalten – hergestellt werden, sie sind deswegen aber nicht automatisch frei von allen Risiken.
„Nach geltendem EU-Gentechnikrecht müssen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ein Zulassungsverfahren mit einer Risikobewertung durchlaufen“, erklärt Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol. „GVO sowie Lebens- und Futtermittel, die aus GVO hergestellt werden, müssen als „genetisch verändert“ gekennzeichnet werden und rückverfolgbar sein.“ Der Europäische Gerichtshof hat in einem Grundsatzurteil 2018 bestätigt, dass auch die neuen gentechnischen Verfahren nach dem EU-Gentechnikrecht reguliert werden müssen.
Die EU-Kommission hat jedoch im Sommer 2023 einen Vorschlag für eine Deregulierung von Pflanzen, die mit Hilfe neuer gentechnischer Verfahren hergestellt werden, vorgelegt. Demnach sollen die strengen Regeln für GVO in Zukunft auf NGT-Pflanzen der Kategorie 1 (NGT = New Genomic Techniques, neue gentechnische Verfahren) nicht mehr angewendet werden. Weder soll ein Zulassungsverfahren noch eine Risikoprüfung noch eine Kennzeichnung am Endprodukt erforderlich sein. Verbraucher und Verbraucherinnen könnten dann zwischen gentechnikfreien Lebensmitteln und gentechnisch manipulierten Lebensmitteln der Kategorie NGT-1 nicht mehr unterscheiden und hätten keine Wahlfreiheit mehr.
Die Entscheidung über die geplante Deregulierung wird in den nächsten Wochen oder Monaten erwartet. Eine Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament befürwortet offenbar den Vorschlag der Kommission – die große Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen dagegen will keine Gentechnik auf Acker und Teller. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Verbraucherorganisation foodwatch vom September 2023 in Deutschland wollen 92 Prozent der Befragten, dass auch mithilfe neuer Gentechnik hergestellte Nahrungsmittel als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen. 96 Prozent der Befragten wollen, dass diese Nahrungsmittel auf mögliche Risiken geprüft werden.
Um zum Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung der neuen Gentechnik NEIN zu sagen:
Schreiben Sie hier (E-Mail-Aktion: https://www.ig-saatgut.de/#mitmachaktion) eine E-Mail an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und zeigen Sie, dass Sie mit der Deregulierung der neuen Gentechnik NICHT einverstanden sind.