Auf EU-Ebene wird derzeit über eine Deregulierung von Pflanzen, die mit Hilfe neuer gentechnischer Verfahren hergestellt werden, sowie daraus produzierter Lebens- und Futtermittel diskutiert. Im Vorschlag der EU-Kommission vom Juli 2023 werden drei Kategorien von Pflanzen unterschieden: NGT-Pflanzen der Kategorie 1 (NGT = New Genomic Techniques, neue gentechnische Verfahren), NGT-Pflanzen der Kategorie 2 sowie Pflanzen, die mit herkömmlichen Gentechnikverfahren erzeugt werden.
NGT-Pflanzen der Kategorie 1 sind laut EU-Kommission all jene NGT-Pflanzen, die angeblich gleichwertig zu konventionell gezüchteten Pflanzen sind: Pflanzen mit Genmanipulationen an bis zu 20 Stellen im Erbgut und der Entfernung einer beliebigen Zahl von Gen-Bausteinen. Werden Gene eingefügt, so müssen diese aus dem „Züchter-Genpool“, also von verwandten Arten stammen.
NGT-Pflanzen der Kategorie 2 sind all jene NGT-Pflanzen, die nicht zur Kategorie 1 gehören, also NGT-Pflanzen mit Genmanipulationen an mehr als 20 Stellen im Erbgut und solche, in die Erbgut von nicht verwandten Arten eingeschleust wird.
Beispiele für herkömmlich erzeugte gentechnisch veränderte Pflanzen sind insektenresistenter Bt-Mais und glyphosatresistente Roundup-Ready-Sojabohne.
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll das strenge EU-Gentechnikrecht samt Zulassungsverfahren, Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnungspflicht in Zukunft nur mehr auf herkömmlich erzeugte gentechnisch veränderte Pflanzen bzw. Organismen angewendet werden. „Für NGT-Pflanzen der Kategorie 1 soll weder ein Zulassungsverfahren noch eine Risikoprüfung noch eine Kennzeichnung am Endprodukt erforderlich sein“, warnt Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol. „Für NGT-Pflanzen der Kategorie 2 soll es ein erleichtertes Zulassungsverfahren mit einer abgespeckten Risikoprüfung und eine Kennzeichnungspflicht geben.“
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen fordern dagegen die Beibehaltung des Vorsorgeprinzips. Sie setzen sich für Transparenz, für die Kennzeichnung aller gentechnisch veränderter Pflanzen – egal ob mittels alter oder neuer Gentechnikverfahren hergestellt –, für Rückverfolgbarkeit und für die Wahlfreiheit der Bürger und Bürgerinnen sowie Bauern und Bäuerinnen ein.
An der behaupteten Gleichwertigkeit von NGT-1-Pflanzen und herkömmlich gezüchteten Pflanzen gab es mehrfach Kritik. Zuletzt stufte die in Frankreich für Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde Anses die Obergrenze für genetische Veränderungen (an bis zu 20 Gen-Bausteinen) als wissenschaftlich nicht ausreichend begründet ein. Laut Anses sei nicht geprüft worden, ob solch komplexe genetische Veränderungen überhaupt durch konventionelle Techniken erreicht werden können, unbeabsichtigte genetische Veränderungen abseits der Zielorte würden nicht berücksichtigt. Somit sei auch die Annahme der EU-Kommission, NGT-1-Pflanzen würden das gleiche Risiko aufweisen wie herkömmlich gezüchtete Pflanzen, nicht ausreichend wissenschaftlich begründet. Zu ähnlichen Ergebnissen war zuvor bereits die Wissenschaftsvereinigung Ensser (European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility) gelangt: „Die postulierte Gleichwertigkeit zwischen NGT-Pflanzen und konventionellen Pflanzen ist willkürlich konstruiert.“