Corona-Virus und VerbraucherInnen-Rechte: ein Leitfaden

 

Die Corona-Krise hat unser gewohntes Leben einschneidend verändert; trotz erster Lockerungen schränken noch viele Verbote den Alltag ein. Zum Schutz der Gesundheit waren in den vergangenen Monaten viele Tätigkeiten untersagt: Schule, Universität, Kurse, Kulturveranstaltungen, Fitness-Studios, ... – die Liste ist lang. Garantiert waren nur die „wesentlichen“ Dienste, wie Einkauf von Lebensmitteln und Medikamenten; nach und nach sollen nun im Rahmen der Phase 2 weitere Öffnungen dazukommen. Vor dem Hintergrund dieser Lockerungen fragen sich jetzt viele VerbraucherInnen, was mit den bereits bezahlten, jedoch nicht genossenen Leistungen passiert.

Diese Zwangsschließungen hatten - unter anderem - auch schwerwiegende Auswirkungen auf die VerbraucherInnen, die Dienste nicht erhalten und ihre Rechte nicht geltend machen konnten. Doch die Krise macht auch vor Arbeitswelt und Unternehmen nicht halt. Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, eine für beide Seiten faire Lösung zu finden. Beispiel gebuchte Hotelübernachtung: das Hotel ist zu, der Dienst kann nicht genutzt werden. Dem Verbraucher steht – rein rechtlich – die Rückzahlung bereits bezahlter Summen zu (die Leistung kann nicht erbracht werden, der bezahlte Dienst kann nicht in Anspruch genommen werden). Jedoch hat auch der Betrieb einen Schaden erlitten, weil das Hotel geschlossen bleiben musste, ohne dass dies auf ein Verschulden des Betriebs zurückführbar ist.

„Der beste Weg wäre in all diesen Fällen – im Rahmen des Möglichen – eine einvernehmliche Lösung zu finden“ kommentiert die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), Gunde Bauhofer. „Suchen Sie den Kontakt mit dem Vertragspartner und versuchen Sie, einen Kompromiss zu finden. Wir unsererseits stehen gerne für allgemeinere Verhandlungen jenseits des Einzelfalls zur Verfügung, um Lösungsvorschläge auszuarbeiten.“

Die Rechtslage
Rechtlich gesehen gelten bei vertraglicher Nichterfüllung bei wechselseitigen Leistungen die Vorgaben von Art. 1463 Zivilgesetzbuch über die „nachfolgende Unmöglichkeit“:
Bei Verträgen mit wechselseitigen Leistungen kann die wegen nachfolgender Unmöglichkeit der  geschuldeten Leistung befreite Partei nicht die Gegenleistung verlangen und hat eine solche, die sie bereits erhalten hat, nach den Vorschriften über die Rückforderung einer Nichtschuld zurückzugeben.
Das Grundprinzip: wer für eine Leistung bezahlt hat, und diese nicht erhält, hat Anrecht auf Rückerstattung.
Es ist zwar wahr, dass der Unternehmer einen Schaden erlitten hat, ohne für die Situation verantwortlich zu sein, aber ein Einbehalt der erhaltenen Summe käme einer Bereicherung ohne Grund gleich. Gleichfalls haben VerbraucherInnen auch nur Anrecht auf die Rückerstattung der bezahlten Beträge, nicht aber auf einen Schadenersatz: der Unternehmer trägt, wie gesagt, keine Schuld.

Wie vorgehen?
Wenn mit dem Unternehmen eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann, sollte diese kurz verschriftlicht und von beiden akzeptiert werden (auch durch Mail-Austausch).
Bleibt ein erster Vorstoß erfolglos, sollte man auf alle Fälle (diesmal per Einschreiben) nachhaken, und ggf. bei der VZS Rat und Hilfe suchen.
Wichtig: hängt am Vertrag selbst ein Ratenvertrag dran, immer auch die Finanzierungsgesellschaft in die Korrespondenz einbeziehen.
Wenn man hingegen von Ihnen die Bezahlung einer Leistung verlangt, die nicht oder nicht in vollem Umfang erbracht wurde, sollten Sie unbedingt schriftlich reagieren.
Falls die Bezahlung mit Kreditkarte erfolgt ist, kann es einen Versuch wert sein, über die Kreditkartengesellschaft den anteiligen Betrag rückzufordern (sog. „Chargeback“).

„In vielen dieser Fälle sprechen wir von Beträgen, bei denen ein Gang vor Gericht wohl „Schüssen aus Kanonen auf Spatzen“ gleichzusetzen wäre – Prozesse dauern lang, haben einen ungewissen Ausgang und bringen beträchtliche Kosten mit sich. Sich einigen spart daher Geld, Zeit und auch Nerven. Auf der anderen Seite muss eine Einigung jenseits der rechtlichen Fairness auch anderen Umständen Recht tragen – einer Familie, der das Einkommen weggebrochen ist, nützt ein Gutschein für einen Kochkurs im nächsten Jahr denkbar wenig“ meint VZS-Geschäftsführerin Gunde Bauhofer abschließend.

 

Nachfolgend einige typische Situationen und die jeweils bestehenden Ansprüche.

Kindergärten, Schulmensen, Schülerheime
Da die Dienste für Kinder derzeit nicht zugänglich sind (Kindergarten, Kinderkrippe) sind für den nicht genutzten Zeitraum keine Zahlungen geschuldet; bereits bezahlte Beträge können zurückgefordert werden. Das Selbe gilt für Schul-Ausspeissungen und Schülerheime.

Skipässe
Die Skipistenbetreiber mussten die Wintersaison verfrüht beenden. Wer eine Saisonkarte bzw. eine nicht genutzte Tageskarte gekauft hatte, kann den nicht genutzten Anteil zurückfordern.

Kurse (Sprachkurse, Nachhilfe, Kochkurse, ...)
Der Besuch von Kursen vor Ort ist untersagt, daher ist für die nicht genutzte Zeit keine Zahlung geschuldet. Dies gilt nicht, wenn der Kurs in anderer Modalität angeboten wird, und die Stunden weiterhin – z.B. über Videoplattform o.ä. - stattfinden. Besteht die Möglichkeit des weiteren Besuchs, und haben die VerbraucherInnen die Möglichkeit zur tatsächlichen Nutzung (technische Voraussetzungen sind gegeben, und die Stunden finden nicht in den Arbeitszeiten statt, usw.), sind die Zahlungen weiterhin zu leisten, da die Leistung als erbracht zu betrachten ist.
Wurde für die Zahlung des Kurses ein Ratenkredit abgeschlossen, kann die Zahlung bei nicht erbrachter Leistung ebenfalls unterbrochen werden, jedoch muss auch die Finanzierungsgesellschaft korrekt davon in Kenntnis gesetzt werden (u.a. muss der Grund für die Nichtzahlung der Raten angegeben werden).

Fitnessstudios, Schwimmbäder, Wellness-Center, Kulturzentren
Auch Fitnessstudios, Schwimmbäder, Wellness-Center und Kulturzentren sind derzeit geschlossen, und auch hier steht für den nicht genutzten Teil der Leistung eine Rückerstattung zu.
Hier gilt es jedoch, das Abo mit dem Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei einer fixen Anzahl von Eintritten können diese einfach nach Ablauf der Verbote weiter genutzt werden. Hat dieses Abo zusätzlich eine Fälligkeit (Dauer oder Datum), muss entsprechend auch eine Verschiebung derselben verlangt werden.
Ist das Abo hingegen auf einen Zeitraum bezogen (Monat oder Jahr, mit unbegrenzten Eintritten), könnte der Betrieb als alternative eine Aufhebung des Abos für den nicht genutzten Zeitraum anbieten, und dieses ab Ende der Verbote neu anlaufen lassen.
Häufig werden die Abos für Fitnessstudios – gerade jene mit langen Laufzeiten – über Ratenkredite beglichen. Auch hier muss eine Unterbrechung der Zahlungen auch der Finanzierungsgesellschaft mitgeteilt werden, und der Grund muss angegeben werden.

Konzerte, Theatervorstellungen, Eintrittskarten Museen & verschiedene Events
Derzeit wurden alle Events in diesen Bereichen abgesagt, und die Museen sind geschlossen. Wer das Ticket für eine aufgrund Coronavirus abgesagte Veranstaltung bereits erworben hatte, hat Anrecht auf Rückerstattung des Preises. Wurde die Veranstaltung hingegen verschoben, besteht kein Recht auf Rückerstattung.

Sportveranstaltungen
Auch diese Veranstaltungen wurden abgesagt. Wer ein Abo besitzt, oder bereits ein Ticket erworben hatte, hat Anrecht auf Erstattung des Preises bzw. des nicht genutzten Teils. Jede Gesellschaft kann auch ein „Nachholen“ anbieten, z.B. für die Spiele, denen man nicht beiwohnen konnte.

Feste (z.B. Diplomfeiern, Geburtstage, usw.)
Da keine Versammlungen stattfinden dürfen, sind auch solche Feiern nicht gestattet. Falls bereits Verträge abgeschlossen wurden (Blumen, Fotograf, Catering, …) und das Event nicht mehr stattfinden kann, können diese aufgrund der Beschränkungen im Rahmen des Coronavirus aufgelöst werden, da die Leistung unmöglich geworden ist; bereits gezahlte Beträge können zurückgefordert werden.

In den FAQ's können Sie nähere Informationen zu den einzelnen Verträgen nachlesen sowie einen Musterbrief herunterladen, um die Forderung auf Rückerstattung an den jeweiligen Vertragspartner zu richten.

Für Fragen zu Reisen und grenzüberschreitenden Käufen in der EU, Norwegen und Island können sich VerbraucherInnen an das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) wenden (info@euroconsumatori.org). Weiters informiert das EVZ über die außergerichtliche Streitbeilegung mit Hilfe der europäischen ODR-Plattform. Antworten auf häufig gestellte Fragen finden sich hier: http://www.euroconsumatori.org/81913d84028.html

Für Rückfragen steht die Verbraucherzentrale Südtirol unter 0471-975597 oder info@verbraucherzentrale.it zur Verfügung.

 

like-512_0.png

like-512_0.png