Die EU-Kommission will die Zulassung für das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat für weitere zehn Jahre verlängern. Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen fordern dagegen ein Verbot von Glyphosat. Nun liegt es an den Mitgliedstaaten, darüber zu entscheiden.
Bis zum 15. Dezember 2023 muss die EU über eine Wiederzulassung oder ein Verbot von Glyphosat entscheiden. An diesem Tag läuft die bisherige Zulassung aus. Im Juli dieses Jahres war die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu dem Schluss gelangt, dass der Einsatz von Glyphosat „keine kritischen Bedenken“ aufwerfe – obwohl ebendiese EFSA eingestand, dass die Umwelttoxizität von Glyphosat und das Risiko für Säugetiere aufgrund von Datenlücken nicht abschließend bewertet werden könnten. In der Folge präsentierte die EU-Kommission am 20. September einen Entwurf für die Wiederzulassung von Glyphosat. Damit könnte der Wirkstoff für weitere zehn Jahre, also bis Dezember 2033, in der EU verwendet werden. Dies, obwohl der Einsatz chemischer Pestizide und der Einsatz gefährlicher Pestizide laut der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission bis 2030 halbiert werden sollen. Die EU-Mitgliedstaaten werden am 12. oder 13. Oktober im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel über den Vorschlag der EU-Kommission abstimmen und haben dabei auch die Möglichkeit, ihn abzulehnen. Sollte sich keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen den Vorschlag finden, wird letztendlich die EU-Kommission über die Zulassung entscheiden. Deutschland möchte übrigens laut Koalitionsvertrag ab 2024 ein Glyphosatverbot umsetzen. Die italienische Regierung hat sich in der Frage der Wiederzulassung noch nicht positioniert.
Das meistverwendete Pestizid der Welt
Seit der Markteinführung des glyphosathaltigen Unkrautvernichters „Roundup“ durch den US-Konzern Monsanto (heute: Bayer) im fernen Jahr 1974 ist Glyphosat der meistverkaufte und meistverwendete Pestizidwirkstoff der Welt. Als Totalherbizid tötet es jede grüne Pflanze ab, die nicht resistent dagegen ist bzw. mittels Gentechnik gemacht wurde. Glyphosat wird im großen Maßstab im Anbau von gentechnisch veränderten herbizidresistenten Pflanzen (GV-Soja, GV-Mais, GV-Raps, GV-Baumwolle) eingesetzt. Auch wird es häufig vor der Ernte von Nutzpflanzen (z.B. Kartoffeln, Weizen) ausgebracht, um durch das Abtöten der grünen Pflanzenteile bzw. die gleichzeitige Abreife der Ähren die Ernte zu vereinfachen. Glyphosat wird darüber hinaus zum Abtöten von Unkräutern vor der Einsaat, im Obstbau, beim Anbau von Weihnachtsbäumen, zur Unkrautbekämpfung auf öffentlichen (Grün-)Flächen und nicht zuletzt in Hausgärten verwendet.
Zum Schaden von Umwelt und Gesundheit
Einzelne Länder und Gemeinden haben in den letzten Jahren den Einsatz von Glyphosat teilweise eingeschränkt. Glyphosat ist dennoch allgegenwärtig und verschmutzt Flüsse, Seen und das Grundwasser, schädigt die Böden und bedroht die Vielfalt der Pflanzen – und damit indirekt auch Insekten und andere Tiere. Der ungehemmte Einsatz des Wirkstoffs hat zudem zur Entwicklung so genannter „Super-Unkräuter“, welche resistent gegenüber Glyphosat geworden sind, geführt. Angesichts der breiten Verwendung ist der Wirkstoff wenig überraschend auch in Lebensmitteln und im menschlichen Körper zu finden. Mehr oder weniger hohe Rückstände von Glyphosat in Lebensmitteln sind durch zahlreiche Analysen belegt, ob es sich nun um Hartweizen, Hülsenfrüchte, Teigwaren, Bier, Frühstückszerealien, Honig oder Babynahrung handelt. Verbraucher und Verbraucherinnen kommen mit Glyphosat in erster Linie über die Rückstände in Lebensmitteln in Kontakt. Glyphosat und seine Abbauprodukte wurden im Blut und Harn von Menschen nachgewiesen, auch im Harn von schwangeren Frauen. Es steht zu befürchten, dass die Substanz vom mütterlichen Körper auf das ungeborene Kind übergehen und dessen Gesundheit langfristig beeinflussen kann. Glyphosat steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen, Krebserkrankungen auszulösen, das Hormonsystem zu beeinflussen sowie toxisch für Leber, Nieren und Nervensystem zu sein. Auch mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer wird Glyphosat mittlerweile in Verbindung gebracht.
Antibiotikaresistenzen durch Glyphosat
Weniger bekannt als die genannten Effekte ist die antimikrobielle Wirkung von Glyphosat und seiner Abbauprodukte auf das Mikrobiom, also die Gesamtheit von Bakterien, Pilzen und anderen Kleinstlebewesen, im menschlichen Darm und im Boden. Bis zu 26% der Bakterien im menschlichen Darm reagieren empfindlich auf Glyphosat, wodurch die Darmflora beeinträchtigt wird. Die Anreicherung von Glyphosat und seiner Abbauprodukte im Boden führt zu einer massiven Veränderung der Gemeinschaft der Mikroorganismen in den Böden: während viele nützliche Kleinstlebewesen abgetötet werden, nehmen schädliche und krankheitserregende Mikroorganismen Überhand und entwickeln Resistenzen gegen Glyphosat und Kreuzresistenzen gegen andere Antibiotika – mit negativen Folgen für die Bodenfruchtbarkeit und für die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegenüber Krankheiten. Über Futtermittel, den Verdauungstrakt von Nutztieren und die Düngung mit Mist gelangen noch mehr Glyphosatrückstände und antibiotikaresistente Bakterien in die Böden.
Ein Verbot von Glyphosat ist möglich
Bereits 2017 haben mehr als 1 Million Menschen die Europäische Bürgerinitiative „Stop Glyphosat“ unterzeichnet, welche ein Verbot von Glyphosat forderte. Trotzdem wurde die Zulassung damals für fünf Jahre verlängert. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag von PAN Europe (Pesticide Action Network) in sechs EU-Ländern zeigt, dass durchschnittlich 62% der Bürger und Bürgerinnen ein Verbot von Glyphosat in der EU befürworten.
Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) erneuert anlässlich der Frage der Wiederzulassung von Glyphosat ihren Appell, das europäische Vorsorgeprinzip (laut EU-Basisverordnung 178/2002) konsequent anzuwenden. Dazu Gunde Bauhofer, die Geschäftsführerin der VZS: „Es ist inakzeptabel, dass Verbraucher und Verbraucherinnen weiterhin einem Wirkstoff ausgesetzt werden sollen, der die Umwelt und die Artenvielfalt massiv schädigt und im Verdacht steht, auch der menschlichen Gesundheit auf vielerlei Art zu schaden. Zum Schutze der Menschen und der Umwelt darf Glyphosat nicht neuerlich zugelassen werden.“
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert die italienische Regierung mittels Petition dazu auf, gegen die Wiederzulassung von Glyphosat zu stimmen:
https://attivati.greenpeace.it/petizioni/stop-glifosato/ (in italienischer Sprache)
Foodwatch, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und das Umweltinstitut München informieren auf ihren Internetseiten über Glyphosat bzw. fordern ein Verbot:
https://www.foodwatch.org/de/mitmachen/glyphosat-verbot-jetzt
https://www.bund.net/umweltgifte/glyphosat/
https://umweltinstitut.org/landwirtschaft/glyphosat/
Zahlreiche europäische NGOs haben sich zum Bündnis „Stop Glyphosate“ zusammengeschlossen und informieren über die Risiken von Glyphosat:
https://stopglyphosate.eu/ (in englischer Sprache)