Nach den Gentechnikverfahren der ersten Generation wurden und werden seit einigen Jahren neue gentechnische Verfahren entwickelt. Diese sollen in der Pflanzen- und Tierzüchtung und in der Humanmedizin zum Einsatz kommen, auch an gentechnisch veränderten Bakterien und Viren wird gearbeitet.
Klassische Verfahren der Gentechnik
Bei den klassischen Gentechnikverfahren wird ein Genkonstrukt zunächst im Reagenzglas (in vitro) künstlich hergestellt und dann mit Hilfe eines Vektors (Genfähre) oder durch Partikelbeschuss (Genkanone) in den Zielorganismus eingeschleust, wo es dann an einer zufälligen Stelle in das Erbgut eingebaut wird. Wo genau auf dem DNA-Strang das neue Gen-Konstrukt integriert wird, lässt sich nicht kontrollieren.
Werden Gene von artfremden Organismen auf den Zielorganismus übertragen, spricht man von Trans-Genetik bzw. einem transgenen Organismus. In den USA werden transgene Pflanzen seit über 20 Jahren kommerziell angebaut, auch in Kanada, Brasilien und Argentinien ist deren Anbau verbreitet. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Soja, Mais, Raps und Baumwolle. Die Mehrzahl dieser GV-Pflanzen ist aufgrund der Genmanipulation entweder tolerant gegenüber einem oder mehreren Herbiziden (z.B. Glyphosat-tolerante Sojabohnen) oder resistent gegenüber Fraßinsekten, weil die Pflanze einen Giftstoff, das Bt-Toxin, bildet (z.B. Bt-Mais).
Werden dagegen Gene von derselben Art bzw. von Arten, die sich miteinder kreuzen können, auf den Zielorganismus übertragen, spricht man von Cis-Genetik bzw. einem cisgenen Organismus. Dabei werden die natürlichen Kreuzungsbarrieren nicht überschritten.
Da es keine Unterschiede hinsichtlich der Übertragungstechnologien gibt, wird die Cis-Genetik als genauso risikoreich wie die Trans-Genetik eingestuft: der Einbau der neuen Gensequenz, egal ob transgen oder cisgen, an einer zufälligen Stelle kann zu unbeabsichtigten Wirkungen in Bezug auf die neuen Gene wie auch auf die benachbarten Genomregionen führen, u.a. zur Bildung unerwünschter Proteine.
Neue Verfahren der Gentechnik
Mit neuen Gentechnikverfahren soll es den Angaben der Befürworter zufolge möglich sein, das Erbgut kontrolliert, zielgerichtet und ohne erhebliche Nebenwirkungen zu manipulieren. Damit ließen sich im Vergleich zu den klassischen Techniken Zeit und Kosten einsparen. Die beiden wichtigsten neuen Techniken sind die Genom-Editierung und die RNA-Interferenztechnik.
Genom-Editierung
Als Genom-Editierung werden verschiedene Verfahren zur gezielten gentechnischen Veränderung des Erbgutes von Pflanzen, Tieren und Menschen bezeichnet. Schon der Begriff der Genom-Editierung (engl. Genome Editing = gezieltes Umschreiben des Genoms) soll suggerieren, dass es sich dabei um eine Präzisionstechnik handele. Grundprinzip der Verfahren ist die Durchtrennung der DNA des Zielorganismus an einer bestimmten Stelle mit einer so genannten Gen-Schere. An dieser Stelle werden dann entweder neue Gene in das Genom eingefügt, Gene entfernt oder verändert.
Zu den Techniken der Genom-Editierung zählt neben anderen die CRISPR/Cas-Technik, welche auf einem natürlichen Abwehrmechanismus von Bakterien basiert. In die Zielzelle wird mittels eines Vektors oder einer Genkanone ein Konstrukt aus einer künstlich hergestellten Leit-RNA und einem Cas9-Enzym eingeschleust. Die Leit-RNA „findet“ dank ihrer ähnlichen Struktur die zu verändernde Stelle des DNA-Stranges, dockt dort an, und das Cas9-Enzym schneidet an dieser Stelle beide DNA-Stränge durch (Doppelstrangbruch). An der Schnittstelle kann nun die zelleigene „Reparatur“ spontan erfolgen oder gezielt ein DNA-Abschnitt entfernt oder ein (miteingeschleuster) neuer DNA-Abschnitt eingefügt werden, um die Eigenschaften des Zielorganismus zu verändern. Die solcherart genmanipulierten Zellen werden zunächst in Zellkulturen (in vitro) kultiviert und erst danach in vollständige Organismen überführt.
RNA-Interferenztechnik
Die RNA-Interferenztechnik macht sich eine natürliche Abwehrfunktion der Zelle zunutze und ermöglicht es, Gene zu blockieren, ohne die Struktur des Erbguts zu verändern. Bei diesem Verfahren wird absichtlich doppelsträngige RNA, welche in Viren, nicht aber in Pflanzen und Tieren vorkommt, in die Zielzelle eingeschleust. Die Basenabfolge dieser RNA entspricht jener auf dem stillzulegenden Gen. Die Zelle reagiert darauf, indem sie zuerst die fremde RNA in Fragmente spaltet und anschließend auch die dazu komplementäre Boten-RNA, welche die Information des stillzulegenden Gens überträgt. So wird der Aufbau von Proteinen, für welche genau diese Boten-RNA benötigt wird, blockiert.
In der Landwirtschaft kann die RNA-Interferenztechnik u.a. gegen Viren oder Insektenschädlinge oder um unerwünschte Eigenschaften von Pflanzen zu unterdrücken, eingesetzt werden. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Technik sind die „Arctic“-Äpfel des kanadischen Biotech-Unternehmens Okanagan Specialty Fruits. Diese werden nach dem Aufschneiden nicht mehr braun und sehen somit länger frisch aus. In den USA werden „Arctic“-Äpfel bereits angebaut und in Form von abgepackten Apfelspalten vermarktet.
Wem nützt Gentechnik in der Landwirtschaft?
Seit es die Agro-Gentechnik gibt, argumentieren die Befürworter damit, dass dadurch die landwirtschaftliche Produktion gesteigert und Hunger und Armut auf der Welt reduziert werden könnten, dass schädlingsresistente Pflanzen hergestellt und der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden verringert werden könnten. Alle diese Versprechen haben sich in der Realität nicht nur als unwahr herausgestellt, sondern sind teilweise sogar ad absurdum geführt worden.
So weiß man heute, dass durch den Anbau von herbizidtoleranten GV-Pflanzen und den in der Folge massiven Einsatz von Herbiziden (z.B. Glyphosat) die unerwünschten Unkräuter gegen die verwendeten Herbizide resistent werden. Die Folge ist die Anwendung von noch mehr und zum Teil noch giftigeren Spritzmitteln.
Durch den Anbau von genmanipulierten Bt-Pflanzen entwickeln nach einigen Jahren die zu bekämpfenden Insekten Resistenzen gegen das Bt-Toxin und müssen dann durch noch mehr Insektizide bekämpft werden.
Vom Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen mit Herbizid-Toleranz und von Bt-Pflanzen profitieren also hauptsächlich Agro-Chemiekonzerne wie Bayer/Monsanto, Syngenta oder Pioneer, die das gentechnisch veränderte Saatgut im Paket mit den chemisch-synthetischen Pestiziden verkaufen. Der angebliche Beitrag der Gentechnik zur Hungerbekämpfung konnte laut Welthungerhilfe bis heute nicht bewiesen werden.
Für Verbraucher und Verbraucherinnen bringt eine Eigenschaft wie die Herbizid-Toleranz keinerlei Nutzen. Auch durch neue Gentechnik-Verfahren entwickelte Lebensmittel wie nichtbräunende Äpfel und Pilze bieten für Verbraucher und Verbraucherinnen keinen Mehrwert, sondern täuschen vielmehr bei einem Produkt, das eigentlich nicht mehr frisch ist, Frische vor.
Neue Gentechnik = keine Gentechnik?
Die neuen Gentechnik-Verfahren seien sehr präzise und folglich bestehe kein Risiko für unerwünschte Effekte, die erzielten (cisgenen) Änderungen könnten theoretisch auch durch spontane Mutationen entstehen und die damit hergestellten Endprodukte seien ohnehin nicht transgen, weil sie kein artfremdes Erbgut enthielten. Mit solchen Begründungen wollen die Befürworter und Befürworterinnen die derzeit gültige EU-Rechtslage aufweichen und erreichen, dass mit neuen Gentechniken veränderte Organismen in Zukunft nicht mehr als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen. Im Juli 2018 entschied nämlich der Europäische Gerichtshof EuGH, dass mit neuen Gentechnikverfahren gewonnene Organismen genetisch veränderte Organismen (GVO) sind und grundsätzlich der GVO-Richtlinie der EU mit allen damit verbundenen Auflagen (Zulassungsverfahren, Kennzeichnungspflicht usw.) unterliegen. Die Gentechnik-Lobby dagegen setzt sich dafür ein, dass „neue“ GV-Pflanzen und GV-Tiere zukünftig ohne Risikobewertung, ohne Regulierung und ohne Kennzeichnung vermarktet werden können. Verbraucher und Verbraucherinnen, aber auch Bauern und Bäuerinnen hätten aufgrund der fehlenden Transparenz dann keine Möglichkeit mehr festzustellen, ob Lebensmittel, Saatgut usw. mit den neuen, oben beschriebenen Techniken hergestellt wurden, da diese dann ja per Gesetz nicht mehr als gentechnische Verfahren eingestuft würden.
Die Risiken der Gentechnik
Grundsätzliche Bedenken
Die bisher gewonnenen Kenntnisse über das Genom und seine komplexe Funktionsweise sind limitiert, die Funktion von weiten Teilen des Genoms noch nicht erforscht. Eine genetische Modifikation kann zusätzlich zur erwünschten Veränderung möglicherweise weitere unerwünschte, nicht vorhersehbare Reaktionen auslösen.
Gesundheitsrisiken
Zu den Auswirkungen eines längerfristigen Verzehrs von GV-Pflanzen auf Mensch und Tier gibt es kaum unabhängige Untersuchungen. Die für die Risikobewertung zuständige Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) berücksichtigt in erster Linie Studien, die von den Gentechnik-Unternehmen selbst und meist nur über kurze Zeiträume durchgeführt wurden. Die Frage, ob das Bt-Toxin die menschlichen Zellen schädigen kann, ist noch nicht geklärt. Fütterungsstudien an Versuchstieren ergaben Hinweise auf mögliche Auswirkungen auf die Blutwerte und das Immunsystem.
Ökologische Risiken
Werden gentechnisch veränderte Pflanzen im Freiland angebaut, können sie sich unkontrolliert verbreiten, dabei werden auch die gentechnischen Veränderungen übertragen. Die veränderten Pflanzen und ihre veränderten Gene sind dann nicht mehr rückholbar. Vögel, Insekten und der Wind können Pollen von GV-Pflanzen kilometerweit transportieren. Besonders problematisch ist die Auskreuzung genmanipulierter Pflanzen in ihre wilden Verwandten, wie in Kanada durch den Anbau von GV-Raps geschehen. Dabei entstehen so genannte Superunkräuter, die gleich gegen mehrere Pestizide resistent sind.
Problematisch ist auch der Anbau selbst: gentechnisch veränderte Pflanzen werden als Monokulturen mit hohem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden angebaut. Dies laugt die Böden aus, belastet das Grundwasser und schränkt den Lebensraum für viele Organismen ein. Der Anbau von herbizidtoleranten GV-Pflanzen und der damit einhergehende Herbizideinsatz verursachen einen Rückgang der Biodiversität auf den Äckern. Der Anbau von insektenresistenten Bt-Pflanzen führt zur Anreicherung des Bt-Toxins im Boden und in den Gewässern und schädigt die Boden- und Wasserlebewesen. Das von den Bt-Pflanzen gebildete Bt-Toxin schädigt nicht allein die zu bekämpfenden, sondern auch andere Insekten, auch Nutzinsekten.
Nicht zuletzt werden durch die Konzentration auf einige wenige GV-Pflanzen traditionelle, lokal angepasste Sorten verdrängt. Die Arten- und Sortenvielfalt der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen nimmt noch schneller ab.
Gentechnikfreiheit ade
Trotz der Zusicherungen der Gentech-Konzerne, dass gentechnikfreie Landwirtschaft und der Anbau von transgenen Pflanzen problemlos nebeneinander koexistieren könnten, ist die Kontamination von Umwelt, Saatgut, Futter- und Lebensmitteln durch genmanipulierte Pflanzen längst traurige Realität. In Kanada ist offenbar bereits sämtliches Raps-Saatgut gentechnisch verunreinigt, in den USA sind weite Teile des Saatguts von Mais, Soja und Raps kontaminiert. Damit sind die biologische Landwirtschaft und die konventionelle gentechnikfreie Landwirtschaft in ihrer Existenz bedroht.
Risiken der neuen Gentechnikverfahren
Die grundsätzlichen Probleme der Gentechnik wie die Auskreuzung, Kontamination und Nicht-Rückholbarkeit gelten auch für die neuen Gentechnik-Verfahren.
Techniken wie das CRISPR/Cas-Verfahren bieten die Möglichkeit, tiefer als die klassischen Gentechnik-Verfahren in das Erbgut lebender Organismen einzugreifen. Es kann damit die DNA an mehreren Orten gleichzeitig verändert werden (Multiplexing), ganze Genfamilien (Verdoppelungen bestimmter Gene) in einem Organismus können gleichzeitig deaktiviert werden und bislang unbekannte Eigenschaften entstehen. Damit gehen große Unsicherheitsfaktoren und Risiken für Mensch, Tier und Umwelt einher. Die Geschwindigkeit, mit der sich – im Vergleich zu herkömmlichen Züchtungsmethoden – Mutationen erzeugen lassen, trägt dazu bei, das Risikopotenzial noch weiter zu erhöhen.
Bei der Genom-Editierung kann es zu ungewollten Effekten kommen, wenn das Cas-Protein von der Leit-RNA an eine falsche Stelle der DNA geleitet wird und dort den DNA-Strang durchtrennt. Auch schneidet die Gen-Schere bereits bei einer nur ungefähren Übereinstimmung zwischen der Leit-RNA und der Zell-DNA.
Bei der RNA-Interferenztechnik können über die kurzen Boten-RNA-Fragmente unbeabsichtigt auch andere Gene als das Zielgen, nämlich solche mit übereinstimmender Sequenz ausgeschaltet werden. Übereinstimmende Sequenzen können darüber hinaus auch unbeabsichtigte Blockaden von Genen in Nichtzielorganismen zur Folge haben.
Gentechnik „Made in Südtirol“?
Bisher gab es einen breiten Konsens darüber, dass Südtirol gentechnikfrei sein soll. Die Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen ist in Südtirol per Landesgesetz (Nr. 13 vom 16. November 2006, abgeändert zuletzt am 17. Jänner 2011) verboten, um die Umwelt, die Biodiversität und die traditionelle Landwirtschaft zu schützen. Tiere, deren Produkte (z.B. Milch) mit der Bezeichnung „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet werden, dürfen ausschließlich gentechnikfreie Futtermittel erhalten. Das Naturschutzgesetz (Landesgesetz Nr. 6 vom 12. Mai 2010) verbietet zudem das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in schützenswerten Gebieten und schreibt zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten Vorsorgemaßnahmen und angemessene Pufferzonen fest. Last but not least ist Südtirol offizielles Mitglied im europäischen Netzwerk der gentechnikfreien Regionen (European GMO-Free Regions Network).
Trotzdem sollen bis 2030 am Versuchszentrum Laimburg mit modernen Züchtungsmethoden wie der Genom-Editierung resistente und robuste Sorten entwickelt werden – so steht es wörtlich im Strategiepapier für die Südtiroler Landwirtschaft „LandWIRtschaft 2030“, das im Mai 2021 präsentiert wurde. Die Züchtung und der vermutlich daran anschließende Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Südtirol würde einen völligen Paradigmenwechsel gegenüber der bisherigen Haltung in Bezug auf Gentechnik in der Landwirtschaft bedeuten.
Gentechnik auf dem Teller: nein danke
Verbraucher und Verbraucherinnen in Europa sind der Agro-Gentechnik gegenüber sehr skeptisch eingestellt. Eine große Mehrheit von ihnen lehnt Gentechnik auf dem Acker und dem Teller ab. 81% der Bevölkerung in Deutschland unterstützen laut Naturbewusstseinsstudie 2019 ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit 2020). 69% der Italiener und Italienerinnen glauben, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel weniger gesund seien als herkömmlich hergestellte Lebensmittel (Umfrage von Coldiretti/Ixe‘ 2018). EU-weit wollen 86% der Personen, die bereits von GV-Pflanzen gehört haben, dass Lebensmittel aus GV-Pflanzen auch entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Nur 3% geben an, dass mit Genom-Editierung hergestellte Produkte nicht auf ihre Risiken hin bewertet und auch nicht gekennzeichnet werden sollten (Ipsos-Umfrage in allen 27 EU-Ländern im Auftrag der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament 2021).
Die Verbraucherzentrale Südtirol fordert:
- Südtirols Landwirtschaft muss gentechnikfrei bleiben. Das Land ist zu klein, um gentechnisch veränderte Pflanzen neben gentechnikfreien Pflanzen anzubauen, eine Trennung der beiden Versorgungs- und Lieferketten nicht umsetzbar.
- Die Südtiroler Landwirtschaft betont bei jeder Gelegenheit die hohe Qualität ihrer Produkte. Die Strategie „LandWIRtschaft 2030“ hat die „weitere Verbesserung der Qualität und die Positionierung von Südtiroler Produkten als gesunde Lebensmittel“ (Zitat) zum Ziel. Zudem soll die Artenvielfalt in Südtirol gesteigert werden. Der Verzicht auf Gentechnik, ja, das Verbot der Gentechnik sind die einzig logische Konsequenz.
- Die Gentechnik darf in Südtirol nicht durch die Hintertür eingeführt werden. Ein derart einschneidender Paradigmenwechsel darf nicht ohne eine breit angelegte öffentliche Diskussion erfolgen. Eine große Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen in der EU lehnt die Gentechnik in der Landwirtschaft ab und unterstützt ein Verbot der Gentechnik in der Landwirtschaft.
- Die neuen gentechnischen Verfahren müssen, mit allen damit verbundenen rechtlichen Folgen, als Gentechnik eingestuft werden, wie auch schon 2018 vom Europäischen Gerichtshof festgestellt wurde. Die Verfahren sowie die damit hergestellten Organismen (Pflanzen, Tiere) müssen mindestens so streng reguliert werden wie die „klassischen“ gentechnischen Verfahren bzw. Produkte. Unabhängig davon, ob der veränderte Organismus als transgen oder als cisgen eingestuft wird, handelt es sich bei den Verfahren immer um gentechnische Verfahren, welche unter Einsatz von künstlich hergestelltem bzw. zusammengefügtem Material auf der Ebene des Genoms in die Zelle eingreifen und sie verändern. Der Prozess als solcher muss einer Regulierung unterliegen. Sowohl die neuen Gentechniken als auch die daraus resultierenden Organismen – auch wenn in ihnen möglicherweise keine „fremde“ DNA mehr nachweisbar ist – müssen einen Zulassungsprozess durchlaufen, der auf einer umfassenden und unabhängigen Risikoforschung basiert.
- Derzeit liegen keine Daten über mögliche Wirkungen von Produkten der neuen Gentechnik-Verfahren auf Umwelt und Gesundheit vor. Bei der Anwendung neuer gentechnischer Verfahren in der Pflanzen- und Tierzucht, beim Umgang mit den resultierenden Organismen im Labor und in der Umwelt muss folglich konsequent das in den EU-Verträgen verankerte Vorsorgeprinzip angewendet werden. Allen Versuchen, das Vorsorgeprinzip zu schwächen, muss die Politik entschieden entgegentreten.
- Der Schutz der gentechnikfreien Pflanzen- und Tierzüchtung sowie der gentechnikfreien biologischen und konventionellen Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung ist ohne Kompromisse sicherzustellen. Das Recht auf Wahlfreiheit muss für die Verbraucher und Verbraucherinnen, aber genauso für die Bauern und Bäuerinnen gewährleistet werden. Dafür und für den Erhalt der genetischen Vielfalt muss die gentechnikfreie Produktion geschützt werden.
- Über die Techniken, die in der Sortenentwicklung angewendet werden, muss transparent informiert werden. Daher muss auch für die neuen gentechnischen Verfahren eine umfassende, lückenlose Kennzeichnungspflicht gelten.
- Um dem „obersten Gebot, die bäuerlichen Familienbetriebe zu erhalten“, gerecht zu werden, braucht Südtirol eine bäuerliche und an den Prinzipien der Ökologie orientierte Landwirtschaft. Der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen dagegen verstärkt sowohl die Industrialisierung der Landwirtschaft als auch die Abhängigkeit der Bauern und Bäuerinnen von großen Agrokonzernen.
Glossar (in alfabetischer Reihenfolge):
Basen: Die Bausteine der DNA und der RNA werden als (Nukleo-)Basen bezeichnet. Die vier verschiedenen Basen der DNA kodieren durch ihre Abfolge die Erbinformation. Jeweils zwei Basen sind komplementär zueinander und können durch chemische Bindungen ein Basenpaar bilden. Die Basenpaare verbinden die beiden DNA-Einzelstränge zu einem Doppelstrang. Jeweils drei aufeinander folgende Basen kodieren eine Aminosäure und legen dadurch fest, aus welchen Aminosäuren die Proteine aufgebaut werden.
Bt: Abkürzung für Bacillus thuringiensis. Dieses Bodenbakterium bildet ein Protein, das giftig für Fraßinsekten und Bodenorganismen ist. Präparate mit dem Bt-Toxin werden als Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt.
Bt-Pflanzen: Mit Hilfe gentechnischer Verfahren werden Gene aus Bacillus thuringiensis auf Pflanzen übertragen, welche dann in ihren Zellen Bt-Toxin bilden und somit resistent gegenüber Fraßinsekten sind.
Chromosomen: Lange fadenförmige Gebilde aus DNA und Proteinen im Zellkern jeder Zelle. Sie enthalten die Erbinformation. Beim Menschen bilden 23 Chromosomenpaare, also 46 Chromosomen, das Genom.
CRISPR: Abkürzung (engl.) für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Gemeint sind damit kurze, sich wiederholende DNA-Abschnitte im Erbgut von Bakterien. Sie sind Teil des bakteriellen Abwehrsystems gegenüber Viren.
DNA: Die DNA (engl. Desoxyribonucleic acid) ist ein Riesenmolekül aus zwei zueinander komplementären Strängen, das man sich wie eine gewundene Leiter vorstellen kann (Doppelhelix). Die in der DNA gespeicherte Erbinformation ergibt sich aus der Reihenfolge der vier verschiedenen Basen. Die DNA kann sich bei der Zellteilung wie ein Reißverschluss öffnen. Durch Ergänzung der beiden Einzelstränge mit jeweils einem neuen komplementären Strang erhält man zwei Doppelstränge, so verdoppelt sich die DNA.
Gen: Ein Gen ist ein definierter Abschnitt auf der DNA. Gene enthalten Erbinformationen, welche bestimmte Merkmale (z.B. die Augenfarbe) festlegen.
Genkanone: Ein Gerät, das dazu dient, DNA mit Hilfe von kleinen Partikeln aus Gold oder Wolfram, welche mit DNA beschichtet sind, unter Druck in Zellen zu „schießen“ (= Partikelbeschuss).
Genom: Als Genom wird die Gesamtheit der Erbinformation in einer Zelle bezeichnet. Das menschliche Genom umfasst 30.000 bis 40.000 Gene.
GV: Abkürzung für Gentechnisch verändert.
GVO: Abkürzung für Gentechnisch veränderter Organismus.
In vitro: Bezeichnung (lat. „im Glas“) für Vorgänge, die außerhalb eines lebenden Organismus künstlich durchgeführt werden, beispielsweise in einem Reagenzglas im Labor.
Mutation: Veränderung der genetischen Information durch Veränderung der Abfolge der Basen. Mutationen können spontan und zufällig erfolgen oder künstlich hervorgerufen werden.
RNA: Die RNA (engl. Ribonucleic acid) ist ähnlich wie die DNA aufgebaut, liegt aber nur als Einzelstrang vor. Sie wird für die Übertragung der in der DNA gespeicherten Information benötigt. RNA wird nach ihrer Funktion benannt wie z.B.:
- Boten-RNA (mRNA, engl. m für messenger): Die Boten-RNA überträgt die genetische Information innerhalb der Zelle aus dem Zellkern zu den Ribosomen, wo die Proteine gebildet werden.
- Leit-RNA (gRNA, engl. g für guide): Die Leit-RNA ist eine im Rahmen der CRISPR/Cas-Technik künstlich hergestellte RNA. Die Abfolge ihrer Basen ist so beschaffen, dass sie genau zu derjenigen Stelle auf der DNA passt, die man gentechnisch manipulieren möchte. An die Leit-RNA gebunden ist das Protein Cas9, welches die DNA durchtrennt.
Vektor: Ein Hilfsmittel, um fremdes Erbmaterial in Zellen einzuschleusen. Meist werden Viren oder kleine ringförmige DNA-Moleküle aus Bakterien als Vektoren verwendet.
Quellen:
• Internetseite des Informationsdienstes Gentechnik, https://www.keine-gentechnik.de/
• Internetseite der Schweizer Allianz Gentechfrei, https://www.gentechfrei.ch/de/
• Infobroschüre Neue Gentechnik-Verfahren, Schweizer Allianz Gentechfrei, Juli 2018
• FAQ Neue Gentechnikverfahren, Schweizer Allianz Gentechfrei, Juni 2018
• Internetseite des Umweltinstituts München e.V., http://www.umweltinstitut.org/themen/gentechnik/gentechnik-uebersicht.html