Privatkonkurs: Wie werde ich die Schulden los?

Das Verfahren um der Schuldenspirale zu entkommen

Verlust des Arbeitsplatzes, schwere Invalidität, Kleinunternehmer in der Krise: lauter Situationen, die eine Person oder eine Familie in eine Schuldenspirale stürzen können, aus der nur schwer wieder herauszukommen ist.
Um eine Lösung für solche Situationen anzubieten, wurde schon 2012 das Gesetz Nr. 3 vom 27. Jänner 2012 verabschiedet, das auch als „Gesetz zur Überschuldung“ bekannt ist.
Seit einiger Zeit gibt es auch in Südtirol bei der Handelskammer eine „Dienststelle für Überschuldung“, die den Betroffenen Auskunft und Beratung im Entschuldungsverfahren anbietet.

Ziel und Zweck des Gesetzes
Das Gesetz 3/2012 soll nicht konkursfähigen natürlichen oder juristischen Personen, die sich in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage befinden - wie etwa Private, Rentner, Kleinunternehmer, Handwerker und Freiberufler – die Möglichkeit geben, bei dem für ihren Wohnort zuständigen Gericht ein Verfahren anzustrengen, mit dem sie sich vollständig von den Schulden befreien können. Dies erfolgt durch Erstattung der Verbindlichkeiten per Ratenzahlung an die Gläubiger, wofür im Gegenzug eine deutliche Senkung des Gesamtbetrags der Verschuldung gewährt wird.

Die drei gesetzlich vorgesehenen Verfahren
Das Gesetz sieht im Einzelnen drei unterschiedliche Verfahren zur Entschuldung vor:
- Schuldenbereinigungsplan des Verbrauchers
- Außergerichtlicher Sanierungsvergleich
- Liquidierung des Vermögens

Der Schuldenbereinigungsplan des Verbrauchers
Für die Verbraucher ist das erste der drei Verfahren, der sogenannte Schuldenbereinigungsplan von besonderem Interesse. Dieses Verfahren kann nämlich nur von privaten Verbrauchern in Anspruch genommen werden, so wie diese in Art. 6, Absatz 2 Buchstabe b) des oben genannten Gesetzes definiert sind. Unter „Verbraucher“ ist demnach der Schuldner als natürliche Person zu verstehen, die Verbindlichkeiten ausschließlich für Zwecke eingegangen ist, die nicht mit einer Unternehmertätigkeit in Verbindung stehen.  

Worin besteht der Plan?
Mithilfe des Plans bietet der Schuldner seinen Gläubigern durch das zuständige Gericht die Ratenzahlung seiner Schulden an, um dafür die Ablösung eines Teils seiner Gesamtschuld zu erhalten.
Das Gericht prüft zunächst die Zahlungsfähigkeit des Schuldners und definiert dann, wie viel er zu zahlen in der Lage ist.
Ein wesentliches Merkmal dieses Verfahrens besteht darin, dass für die Bewilligung des Plans die Genehmigung des Gerichts genügt, während die Zustimmung der Gläubiger nicht erforderlich ist. Es handelt sich also um einen Zwangsvergleich, dem sich alle Gläubiger, die am Plan beteiligt sind, nach dem Gesetz anpassen müssen.

Welche Schulden können Gegenstand des Plans sein?
Das Verfahren ist auf alle klassischen Schuldenkategorien anwendbar und daher auf:
- Bankschulden (z.B. Darlehen) Finanzverbindlichkeiten (z.B. Kredite, Abtretung eines Fünftels des Gehalts, andere Finanzierungen)
- Schulden gegenüber Lieferanten oder Privatpersonen (zum Bsp. gegenüber dem Kondominium oder Mieten für Immobilien)
- Schulden gegenüber öffentlichen Verwaltungen (z.B. Agentur für Einnahmen, Gemeindeabgaben, vom NISF gewährte Darlehen etc.),
wobei jedoch zu berücksichtigen ist:
a) dass der Plan für einige Schuldformen, und zwar die, bei denen ein Vorzugsrecht besteht, also Pfand- oder Hypothekenschulden, nur schwerlich die teilweise Ablösung vorsehen kann oder jedenfalls nur zu bestimmten Bedingungen (siehe dazu die Bestimmungen aus Art. 7 des Gesetzes);
b) dass für die MwSt. und nicht an die Angestellten, Mitarbeiter oder externen Freiberufler gezahlte Steuereinbehalte der Einigungsvorschlag nur den Zahlungsaufschub vorsehen kann (siehe ebenfalls Art. 7 des Gesetzes).
c) dass in jedem Fall die reguläre Bezahlung unpfändbarer Forderungen wie Unterhaltsansprüche, Löhne und Gehälter etc. gewährleistet sein muss

 

Die Phasen des Verfahrens

Die Phasen des Verfahrens lassen sich in folgende Schritte zusammenfassen:

1. Ernennung der sog. Überschuldungsstelle (organismo di composizione della crisi, O.C.C.): Der Betroffene reicht bei der Konkurskanzlei des Gerichts an seinem Wohnort einen Antrag auf Ernennung einer Überschuldungsstelle ein, deren Funktionen auch von einem Freiberufler im Besitz bestimmter Voraussetzungen (zum Beispiel ein Wirtschaftsberater) wahrgenommen werden können. Nachdem er die Identität der Überschudlungsstelle/des vom Gericht ernannten Freiberuflers erfahren hat, wendet sich der Schuldner an die Überschuldungsstelle, um seine Schuldensituation darzulegen. Die Überschuldungsstelle hat die Aufgabe, den Schuldner bei der Bewältigung seiner Überschuldungssituation zu helfen und gleichzeitig die Gläubiger zu schützen.

2. Vorstellung des Planvorschlags beim Richter. Die Überschuldungsstelle oder der Freiberufler helfen dem Schuldner bei der Erstellung des Planvorschlags. Der Schuldner reicht in diesem Fall mit der notwendigen rechtlichen Unterstützung eines Anwalts beim Gericht den detaillierten Planvorschlag ein, der mit einem ausführlichen Bericht der Überschuldungsstelle und allen unterstützenden Dokumenten versehen ist, die für die Genehmigung des Plans durch den Richter notwendig sind.
Der Plan sieht die Modalitäten vor (Prozentsatz der Erfüllung, Beträge, Dauer), mit denen sich der Schuldner zur Erstattung der Schulden verpflichtet, indem er eine seinen finanziellen Möglichkeiten angepasste monatliche Summe für diesen Zweck bestimmt.  
Zusammen mit dem Vorschlag muss auch die Liste der Gläubiger eingereicht werden (mit den geschuldeten Restbeträgen für jeden Gläubiger und der Angabe der Art der Forderung, das heißt, ob mit Vorrangigkeit, mit Vorzugsrecht, Hypothek oder nur nachrangig) sowie eine Auflistung des Vermögens des Schuldners und der eventuellen in den letzten fünf Jahren abgeschlossenen rechtsgeschäftlichen Verfügungen, außerdem die Einkommenserklärungen der letzten drei Jahre, die Liste der laufenden Ausgaben, die für den Lebensunterhalt des Schuldners und seiner Familien notwendig sind, und die Rekonstruktion der steuerlichen Situation des Schuldners sowie eventuell anhängige Rechtsstreitigkeiten.

3. Genehmigung des Plans. Nach Erhalt des Vorschlags, des Berichts der Überschuldungsstelle, der Bestätigung der Machbarkeit des Plans sowie der Begleitdokumente muss der Richter als erstes ausschließen, dass 1) der Verbraucher Verpflichtungen ohne eine vernünftige Aussicht auf Erfüllung eingegangen ist; 2) der Betroffene die Überschuldungssituation nicht schuldhaft herbeigeführt hat. Nachdem er außerdem Handlungen zum Nachteil der Gläubiger ausgeschlossen hat, legt er die Anhörung zur Genehmigung des Plans fest, an welcher sowohl der Betroffene als auch die Überschuldungsstelle teilnehmen können.
Mit dem Dekret verfügt der Richter auch, dass keine neuen Vollstreckungsmaßnahmen zu Lasten des Schuldners eingeleitet werden können und er ordnet die Aussetzung aller anhängigen Vollstreckungsverfahren (zum Beispiel Verpfändungen oder andere Maßnahmen) bis zum Zeitpunkt der Annahme des eventuellen Genehmigungsverfahrens an.
Der Richter ordnet auch die Mitteilung des Vorschlags an die Gläubiger an, die mindestens 30 Tage vor der Anhörung durch die Überschuldungsstelle zu erfolgen hat.
Der Richter nimmt dann die Bewertung des Falls vor. Erst nachdem er die Machbarkeit und Nachhaltigkeit des Entschuldungsplans überprüft hat und dessen Eignung als Garantie für die Bezahlung der Forderungen, nimmt der Richter per Dekret die Genehmigung des Plans vor.
Nun muss der Schuldner den Plan zur Schuldenbereinigung zur Durchführung bringen und sich dabei an die Vorgaben des Plans halten.

Kosten und Zeiten des Plans
Außer der Übernahme der Spesen (proportional zum Betrag) und der Stempelmarke (27,00 Euro) für jede der beiden Verfahrensphasen ist der Schuldner zur vollständigen Bezahlung der Vergütung für den Überschuldungsverwalter, den Freiberufler und den Anwalt für die von diesen Personen verrichtete Arbeit verpflichtet (sog. vorrangige Kosten). Dieser letztere Kostenfaktor ist ein besonders kritischer Aspekt im Hinblick auf die Möglichkeiten der Einleitung des Verfahrens, da er faktisch eine weitere Belastung für die bereits schwierige finanzielle Situation des Schuldners darstellt. Derzeit werden mögliche Lösungen erwägt, um den Einfluss dieser Kosten zu Lasten des Schuldners zu minimieren und es ihm daher zu ermöglichen, das Verfahren ohne allzu viele Hemmnisse in Gang zu setzen.
Der Einigungsvorschlag ist inhaltlich offen, in dem Sinne, dass die Erfüllung der Forderungen mit jeglicher Modalität erfolgen kann, auch durch Abtretung künftiger Forderungen, und in einer angemessenen Zeitspanne erfolgen muss (zwischen 3 und maximal 7 Jahren, je nach Entscheidung der verschiedenen Gerichte).


Die Auswirkungen des Plans auf das Vermögen und das Einkommen
Falls der Schuldner auch Eigentümer einer Eigentumswohnung ist und vielleicht eine laufende Erstattung des Hypothekendarlehens bestreiten muss, das er für den Erwerb oder den Bau der Wohnung verwendet hat, muss überprüft werden, ob er durch den Schuldenbereinigungsplan in der Lage oder nicht mehr in der Lage ist, die Erstattung des Darlehens zu bewältigen.
Das Gesetz (Art. 8, Absatz 4) sieht in erste Linie vor, dass im Schuldenbereinigungsplan auch ein Moratorium (Aussetzung) von bis zu einem Jahr ab dem Zeitpunkt der Genehmigung für die Bezahlung der mit Vorzugsrecht, Pfand oder Hypothek, ausgestatteten Gläubiger (wie eben das Hypothekendarlehen) eingeräumt werden kann, außer wenn die Liquidierung des Vermögens oder der Rechte vorgesehen ist, auf denen die vorzugsweise Befriedigung lastet.
Wenn hingegen die teilweise oder vollständige Liquidierung des Vermögens des Schuldners erfolgen muss, sorgt ein vom Gericht ernannter Liquidator für den Verkauf der Vermögensgegenstände und die anteilsmäßige Bezahlung der verschiedenen Schulden.

Der Schuldner kann also auch sein Vermögen ganz oder teilweise verlieren und lediglich Folgendes bewahren:
- die Vermögensgegenstände, die nicht verpfändet werden dürfen (Art. 514 der Zivilprozessordnung);
- Unterhalts- und Erhaltungsansprüche;
- nicht pfändbare Forderungen (Art. 545 der Zivilprozessordnung, wie zum Beispiel Bedürftigen- oder Unterhaltsbeihilfen für Personen, die im Armenverzeichnis erfasst sind, oder Beihilfen für Mutterschaft, Krankheiten oder Beerdigungen, die von Versicherungsgenossenschaften, Versorgungseinrichtungen oder Wohltätigkeitsinstituten geschuldet sind, wie zum Beispiel Lebensversicherungen, die Vorsorgecharakter haben)
- die Erträge aus dem Nießbrauch der Vermögensgegenstände der Kinder und die als Familiengut gebildeten Vermögensgegenstände und deren Erträge;
- die Gehälter, Löhne und Pensionen, die der Schuldner mit seiner eigenen Tätigkeit verdient, mit Begrenzung auf das, was entsprechend richterlichem Entscheid für den Unterhalt der Familie notwendig ist.

Ist man am Ende von allen Schulden befreit? Die Entschuldung
Die sogenannte Entschuldung, das heißt, die Befreiung von verbleibenden Schulden gegenüber den Konkursgläubigern und von den nicht erfüllten Schulden ist einer der Vorteile, die mit Gesetz 3/2012 eingeführt wurden. Die Entschuldung zu erhalten (sie muss innerhalb des Jahres, das auf die Liquidation erfolgt, durch Anrufung des Richters beantragt werden) bedeutet, sich von allen Restschulden zu befreien und sich, durch die Löschung des eigenen Namens aus den Datenbanken, die Finanzrisiken aufführen (die Verzeichnisse der sog. „schlechten Zahler“), auch zu rehabilitieren. Um diesen Vorteil in Anspruch nehmen zu können, muss der Schuldner allerdings während der Abwicklung der Vereinbarung kreditwürdig gewesen sein, er darf den positiven Ausgang des Verfahrens nicht behindert oder verzögert haben und muss weitere Bedingungen des Gesetzes erfüllt haben (Art. 14 – terdecies). Es sind außerdem einige Schuldenfälle vorgesehen, in denen die Entschuldung nicht wirksam wird; zum Beispiel die Schulden, die aus Erhalts- oder Unterhaltsverpflichtungen entstehen oder Schulden aus Entschädigungen für rechtswidrige Handlungen.  

 

Stand
03/2018

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